von Christoph Scholz
Beim vorliegenden Artikel
handelt es sich um den ersten Teil der Schriftlichen Hausarbeit im Rahmen der
Ersten Staatsprüfung, unter Begutachtung von Frau Prof. Dr. Bredel, vorgelegt
von Christoph Scholz am 17.12.2008 an der Universität Köln.
Im Laufe der nächsten
Wochen wird die Arbeit komplett erscheinen.
Teil I finden Sie hier. Teil
III erscheint voraussichtlich am 14.8.2012.
3.
Der Text
Die
Textlinguistik sei nach Linke et al. (2004, S.245) aus der Kritik an einer
Sprachbeschreibung, in der der Satz neben dem Laut und dem Wort die
grundlegende Beschreibungseinheit darstellte, heraus entwickelt worden. So
können durch die Einheit ‚Text’ größere Einheiten von mehreren Sätzen
beschrieben werden. In den 70 Jahren soll der Text sogar so hoch gewertet
worden sein, dass das Sprechen gleichbedeutend mit der Äußerung von Texten
gewesen sei (Linke et al. (2004), S.253). Daraus wird gefolgert, dass ein Text
eine eigenständige Größe sei, die durch die eigenen Organisationsprinzipien
mehr als die systematische Reihung von Sätzen anhand von Regeln der Kohäsion
sei. Texthaftigkeit lässt sich dementsprechend nur unter Bezug auf die
Gesamtheit bestimmen (Linke et al (2004), S.254). In einem ersten Versuch
defibiert Fritz (2005, S.1070) Texte als komplexes sprachliches Zeichen. Ein
Text werde hierbei durch bestimmte syntaktische Regeln geformt, weise ein
inhaltliches Thema auf und habe eine pragmatische Funktion. Dies setze jedoch
voraus, dass bestimmte Themen und Funktion statisch im Text verankert seien.
Daher wird in einer zweiten Definition die Rolle des Lesers und des Schreibers
im Prozess der Dekodierung und Kodierung hervorgehoben, der nach syntaktischen,
semantischen und pragmatischen Regeln verläuft. So sind die Wissensbestände der
einzelnen Akteure, also Kriterien außerhalb des Textes, von Bedeutung, um die
Tiefenstruktur zu erschließen. Nach Hausendorff und Kesselheim (2008, S.31ff)
hat Textualität drei Quellen:
- die Wahrnehmbarkeit
- die Sprachlichkeit von
- die Vertrautheit
So
müssen Textualitätshinweise in einem Text von einem Leser in einer
Lektüresituation wahrgenommen und mittels der Grammatik und des Lexikons als
sprachliche Konstrukte erkannt werden. Die Vertrautheit mit den
Textualitätshinweisen wird über den Lektürekontext bestimmt. Die sechs von Hausendorf und Kesselheim
(2008, S.23) dargestellten Textualitätsmerkmale werden durch den Leser anhand
dieser drei Quellen ermittelt:
- Begrenzbarkeit
- Intratextuelle Verknüpfbarkeit
- Thematische Zusammengehörigkeit
- Pragmatische Nützlichkeit
- Musterhaftigkeit
- Intertextuelle Beziehbarkeit
Texte
sind demnach ein lesbares Etwas, das begrenzbar, in seinen Erscheinungsformen
verknüpft und thematisch zusammengehörig ist. Außerdem sind sie pragmatisch
nützlich, musterhaft und auf andere Texte beziehbar. Die intratextuellen
Verknüpfungen erzeugen die Kohäsion innerhalb eines Textes und beschreiben die
Oberflächenstruktur. Die Tiefenstruktur wird durch die thematische
Zusammengehörigkeit, die Kohärenz, erzeugt.
Die Kohärenz und die pragmatische Nützlichkeit müssen aber in Bezug auf
scheinbar unsinnige Texte mit bloßen Buchstabenkombinationen eingeschränkt werden
und sind stark abhängig von dem Leser. Es kann sich aber eine Begrenzung und
eine Musterhaftigkeit erkennen lassen, wenn z.B. die Form eines Gedichtes mit
Versen und getrennten Strophen nachgeahmt wird. Die Begrenzung wird jedoch
durch netzwerkartige Hypertexte (Linke et al. (2004), S.288) erschwert. So
können sämtliche informationellen Einheiten, die miteinander verknüpft sind,
als ein Text begriffen werden.
3.1
Kohäsion und Deixis
Nach
der Definition eines Textes lassen sich Teile des Textes als Verknüpfung mit
vorangegangenen Teilen beschreiben. So gibt es verschiedene Arten von
Konnektiven, die die Art der Verknüpfung bestimmen. So kann das Wort ‚danach’
am Beginn eines Satzes eine temporale Beziehung zu dem Inhalt des Satzes davor
anzeigen. ‚Deshalb’ zeigt dagegen eine kausale Beziehung an. Nach Linke et al.
(2004, S.252) hat auch das Tempus eine gering aktive verknüpfende Fähigkeit.
Die Beibehaltung der Zeitform zeige eine Zusammengehörigkeit an.
Außerdem
kann Referenzidentität dazu verwendet werden, um zu verknüpfen. Die
Wiederaufnahme von Referenz auf ein Referenzobjekt in gleicher (Rekurrenz) oder
unterschiedlicher Form (Substitution) fassen verschiedene Sätze zusammen. Die
Substitution ist hierbei mehr als die Koreferenz, da verschiedene und neue
Bedeutungsaspekte des Referenzobjektes geäußert werden (Linke et al. (2004),
S.247). Die Concorde kann als Riesenvogel oder Überschallflugzeug bezeichnet
werden (Fritz (2005), S.1151). Die Aufgabe des Lesers ist es, die
Gemeinsamkeiten der Wörter zu erkennen.
Kohäsion
wird außerdem durch die Metadeixis im Zeichen- und im Nichtzeichenraum erzeugt.
Sie ermöglicht es, durch Suchvorgaben, entweder Verhältnisse von Textteile
anzuzeigen oder sprachliche Elemente mit der selben Referenz als
zusammengehörig zu begreifen. Als Beispiel für solche Suchvorgaben schildern
Linke et al. (2004, S.248ff) die Beziehung von bestimmten und unbestimmten
Artikeln. Ein vorher unbekannter, aber wesentlicher Gegenstand werde durch
einen unbestimmten Artikel gekennzeichnet. Bei einer Wiederaufnahme drücke ein
bestimmter Artikel eine vorherige Bekanntheit aus. Es würde also auf vorhandene
Wissensbestände gewiesen. Dies wird von Linke et al (2004, S.249) als (Vor-)
Wissensdeixis begriffen. Da es jedoch lediglich eine Koreferenz mit einem
außersprachlichen Objekt gibt, soll dies als Textphorik bezeichnet werden.
3.2
Kohärenz und Deixis
Um
thematische Zusammenhänge erkennen und deuten zu können müssen verschiedene
Wissensbestände von Lesern aktiviert werden. Die Wissensbestände können hierbei
unterschiedlichen Formen entsprechen (Linke et al. (2004), S.256ff):
- Weltwissen
- Handlungswissen
- Konzeptuelle Deutungsmuster
Das
Weltwissen ist der allgemeinste und umfassenste Wissensbereich. Es umfasst
sowohl das alltägliche, als auch das enzyklopädische Wissen. In Gegensatz dazu bezeichnet
das Handlungswissen lediglich das prozessual orientierte Wissen. Dadurch ist es
möglich, in einer Handlungskette normale Handlungen von unnormalen zu
unterscheiden. Die konzeptuelle Deutungsmuster strukturieren die Umwelt durch
den Aufbau von drei Beziehungsarten. So können Dinge, Ereignisse, etc… in einer
koordinativen Beziehung stehen. Sie treten dann in einer gemeinsamen
Räumlichkeit, Situation oder einem Thema auf, wie z.B. in der Räumlichkeit
‚Schulzimmer’ oder dem Thema ‚Biologie’. Die temporale Beziehung beschreibt
Vor-, Nach- und Gleichzeitigkeit. Zusätzlich können Ursachen und Wirkungen in
einer kausalen Beziehung erfasst werden.
Nach von der Kammer (2004, S.14) werden Beziehungen zwischen Textteilen
durch bestimmte Operationen ermittelt:
- Das Unterscheiden
- Das Identifizieren
- Das Vergleichen
- Das Relativieren
- Das Klassifizieren
- Das Abstrahieren
- Das Schlussfolgern
- Das Urteilen
- Das Bewerten
Es
müssen einzelne Informationen erst voneinander unterschieden, identifiziert und
dann verglichen werden. Dadurch kann man sie graduell unterscheiden, d.h.
relativieren, und anhand von einem oder mehreren Merkmalen zusammenfassen.
Elemente mit einem wesentlichen Merkmal bilden Klassen. Das Abstrahieren sei
dagegen ein komplexerer Vorgang, in dem man mehrere relevante Merkmale
berücksichtige. Ein Beispiel für die Rolle der Klassifikation und Abstraktion
bietet das Konzept der Isotopien von Greimas (1966) (Linke et al. (2004),
S.260f). Aufgrund von semantischer Übereinstimmung oder Differenz würden Wörter
über die Satzgrenzen hinweg Komplexe mit einen gemeinsamen Thema, sog.
Isotopieebenen, bilden. Die Wörter ‚Huhn’, ‚Pferd’ und ‚Kuh’ haben z.B. die
semantischen Gemeinsamkeit ‚Lebewesen’. Innerhalb eines Textes können mehrere
Isotopieebenen vorhanden sein. In Verbindung mit außersprachlichen
Wissensständen trifft der Leser außerdem Urteile, d.h., dass er
Textinformationen einer Kategorie zuordnet, „die der Leser aus seinem Vorwissen
reaktiviert“ (von der Kammer (2004), S.14) und im Text nicht genannt wird.
„Es ist auch möglich, dass Gruppen von Informationen miteinander verknüpft und einem bekannten Schema zugeordnet werden, z.B.: Soldaten – Schützengraben – Gewehre – Befehl → Situation an der Kriegsfront.“ (von der Kammer (2004), S.14)
Einzelne
Informationen können also innerhalb bestimmter frames oder scripts in Beziehung
gesetzt werden (Linke et al. (2004), S.265ff). Frames sind Rahmen, in die
statische Wissensbestände, wie z.B. Personal und Einrichtungsgegenstände in
einem Krankenhaus, organisiert sind. Die scripts, also die Szenen, zeigen
Prozessmuster, z.B. den Verlauf eines Krankenbesuchs. Die frames gehören zu dem
Vernetzungsmuster der Koordinierung, „wobei mit dem Begriff ‚frames’ auf
bereits vorgefertigte Sets von koordinierten Objekten und Sachverhalten
referiert wird“ (Linke et al. (2004), S.270). Durch eine gemeinsame
Einordnungsinstanz oder eine koordinierend Perspektive werden verschiedene
Elemente miteinander vernetzt. Daraus lässt sich die Bedeutung der Deixis für
die Kohärenz erkennen. Die koordinierende Perspektive bildet hierbei die Origo,
die in einer bestimmten Relation zu einem oder mehreren Deixsobjekten steht.
Dies lässt sich durch die folgende Darstellung illustrieren:
Abbildung 5 (nach Linke et al. (2004), S.270) |
Das
Vernetzungsmuster der Chronologisierung lässt sich unter dem Gesichtspunkt der
Deixis betrachten, wenn Vor-, Nach- oder Gleichzeitigkeit in Bezug auf eine
Origo geschildert werden. Die Richtung des Textverlaufs muss dabei nicht mit
der Zeitachse der Ereignisse übereinstimmen (Linke et al. (2004), S.271). Das
letzte Vernetzungsmuster beschreibt Kausalbeziehungen, die indirekt mit der
Deixis beschrieben werden können. In diesem Vernetzungsmuster können
verschiedene temporale, lokale und personale Beziehungen auftauchen. So kann
jemand erklären, dass er ‚dorthin’ gegangen sei, weil ‚diese Person’ ihn
‚vorher’ dazu gebeten habe. Nicht vorhandene Informationen können durch die
Bindung an außersprachliche Wissensbeständen aus den vorhandenen Informationen
geschlussfolgert werden. Dafür können Informationen als besser oder schlechter,
wichtiger oder unwichtiger bewertet werden (von der Kammer (2004), S.14).
4.
Der Comic
Comics
stellen eine besondere Art von Texten mit spezifischen intratextuelle
Verknüpfungen zwischen einzelnen, abgrenzbaren Einheiten dar. Sie sind
begrenzbar und können sowohl eine thematische Zusammengehörigkeit, als auch
pragmatische Nützlichkeit aufweisen. Außerdem entsprechen sie bestimmten
Mustern und können sich auf andere Texte beziehen.
4.1
Der Begriff Comic
Nach
Sackmann (2008, S.8) hat das englische Wort ‚Comic’ den Ursprung in dem
lateinischen ‚comicus’, was sich auf die Wirkung des Lustspiels bezieht. Im 19.
Jahrhundert wurde neben der Bedeutung ‚komisch’ auch ‚humoristisch’ darunter
verstanden. So war das 1890 gegründete englische ‚Comic Cuts’ dem sog.
Witzblatt in Deutschland ähnlich und enthielt kurze Texte und
Bildergeschichten. Der Begriff Comic wurde nach Castelli (2003) (nach Sackmann
(2008), S.9) 1891 von dem Scribner’s Magazine verwendet, um eine Beilage von
Cartoons und Comics zu betiteln. Zu Beginn des 20. Jahrhundert führte die
Zunahme von sequentiellen Bildwitzen zu einem Bedeutungswandel, wodurch Comics
Bild-Erzählung im Allgemeinen beschrieben. In Deutschland wehrte man sich lange
gegen diesen Begriff. Es wurden nach dem 2.Weltkrieg Bezeichnungen wie z.B.
‚Bilderfolge voller Abenteuer’, ‚Piccolo-Bildserie’ oder ‚Die utopische
Bilderzeitung’ verwendet, um sich von den US-Comics abzusetzen (Sackmann (2008),
S.9).
„In der kulturpolitischen Auseinandersetzung kam in Deutschland schließlich unterschwellig auch die Aversion gegen ein Element nicht-europäischer Kultur zur Sprache, eine Aversion, die sich über die plumpe Propaganda der Nazizeit zwar erhob, die sich in Teilbereichen aber aus derselben Vorstellung speiste.“ (Sackmann (2008), S.10)
Trotz
der Ablehnung durch Pädagogen und bürgerlichen Kreise etablierte sich der
Begriff in den 50er Jahren als Teil der Kinder- und Jugendliteratur. In den
60er Jahren gab es dann durch ‚Asterix’ und ‚Lucky Luke’ eine Differenzierung
der Genres (Dolle-Weinkauf (2002), S.505). Comics wurden so von der
eigentlichen Bedeutung ‚humoristisch’ getrennt und als eigene Form des
Erzählens begriffen.
4.2
Definition des Comics
[…,
gekürzt, d.h.]
Für
eine Definition verweisen wir auf den entsprechen Artikel.
4.3
Die Zeichen
McCloud
(2000, S.9) stellte in seiner Definition dar, dass die Comicsequenz aus
bildlichen und anderen Zeichen bestehe. Diese werden innerhalb einzelner
Bilder, den Panels, realisiert. Nach Volli (2002, S.27) sind Zeichen keine
feststehenden Sachen, sondern ein sozialer und kultureller Bezug. Man bildet
aus zwei Phänomenen eine zeichenhafte Beziehung. Ein Zeichen, das Signifikant,
steht so für einen Gegenstand, einen Signifikat. Daher kann ein Fleck auf der
Haut einem Arzt als Zeichen für Masern dienen (Volli (2002), S.28f). Das Wort
‚Masern’ repräsentiere jedoch mehrere Inhalte, wie z.B. die verschiedenen
Symptome, Ursachen und Therapien. Dies zeigt das semiotische Dreieck von Odgen
und Richards (1923) (nach Nöth (2000), S.140). Nach heutiger Terminologie
werden hier Zeichenträger, Bedeutung und Referenzobjekt miteinander verbunden.
Volli (2002, S.29f) bezeichnet diese Bedeutung
als Interpretant. Er wäre ein weiterer Signifikant, der die Art und
Weise bestimmt, wie ein bestimmter Signifikant einem gegebenen Signifikat als
Zeichen dienen kann. Die Interpretationsleistung sei also selbst ein Zeichen,
das die Verbindung zwischen den Zeichenreiz und der unmittelbaren Referenz
zeige (Packard (2006), S.21). Dies führt zu immer weiteren Interpretanten, um
den vorhergehenden Interpretanten zu verstehen. Der Mensch wäre daher in einer
unbegrenzte Verkettung von Ideenassoziationen verstrickt (Volli (2002), S.30).
Abbildung 6 (nach Odgen und Richards (1923) (nach Nöth (2000), S.140) |
Die
Zeichen können nach Volli (2002, S.33) durch drei verschiedene Funktionsweisen
unterschieden werden:
- das Ikon
- das hinweisende Zeichen
- das Symbol
Das
Ikon weist eine Ähnlichkeit mit dem Signifikat auf oder ahmt ihn nach (Nöth
(2000), S.473). Da es jedoch absolute Ähnlichkeit nur bei Dubletten oder
Repliken gebe, würde es kein wahrhaft ikonische Zeichen geben, sondern nur
solche, bei denen der bildhafte Aspekt vorherrschend wirkt. Eco (2000)
bezeichnet sie nach Volli (2002, S.35) als Hypoikone. Karikaturen werden auch
bei starker Übertreibung einzelner Merkmale erkannt und lautmalende Worte, wie
z.B. ‚kikeriki’, unterscheiden sich in den verschiedenen Sprachen. Es gibt also
eine natürlich transparente und eine konventionalisierte Beziehung. Daher sei
das Lesen eines Bildes einfacher als das Erlernen eines arbitären Kodesystems
(Nöth (2000) S.457). Hinweisende Zeichen haben statt einer mehr oder weniger
starken Ähnlichkeit zu einem Signifikat eine physikalische oder kausale
Verbindung zu ihm (Volli (2002), S.36).
So weist die Richtung einer Fahne auf die des Windes oder das Pronomen ‚du’
deiktisch auf beide Personen in einer Kommunikationssituation. Ein Foto weist
darauf hin, dass sich zu einem bestimmten Moment z.B. ein Gegenstand oder eine
Person vor dem Objektiv befunden hat, und kann deshalb auch zur Lüge verwendet
werden. Durch den hinweisenden Zeichenbezug können daher Wirklichkeitseffekte,
sog. Referenzillusionen, verliehen werden (Volli (2002), S.38). Dies mache jene
Zeichen für Aussagen bedeutsam, um die Rollen von Sendern und Adressat sowie
die Umstände der Kommunikation innerhalb der Botschaft zu vergegenwärtigen.
Symbolen wird die Bedeutung auf dem Wege der Konvention zugesprochen (Linke et
al. (2004), S.22). Der Zusammenhang ist arbiträr, d.h. willkürlich und
unmotiviert. So kann man eine Frau ‚donna’, ‚woman’ oder ‚Frau’ nennen. Dieser
Zusammenhang ist aber nicht grundlos oder rein individuell (Volli (2002),
S.40), da die kommunikative Aufgabe erfüllt werden soll. Nach Mahne (2007,
S.49) gibt es im Comic Symbole, die nicht wahrnehmbares als Konsequenz der
medialen Begrenzung visualieren, und Symbole, die allgemein nicht sichtbare
Elemente darstellen. So gibt es das Symbol der Sprechblase, um Rede- und
Gedankenpräsentation zu ermöglichen, oder das Symbol der Aktionslinie als
Indikator von Bewegung. Außerdem können Emotionen symbolisiert werden.
McCloud
(2000, S.27f) fasst den Begriff ‚Ikon’ wesentlich umfassender. Der Begriff
‚Symbol’ sei für ihn zu überladen. Nach ihm bezeichnen Ikone nichtbildliche
Zeichen, die sowohl Konzepte, Ideen und Philosophien, als auch Sprachen,
Wissenschaften und Kommunikation zeigen, und bildliche Zeichen, die durch Ähnlichkeiten
auf Gegenstände und Lebewesen referieren. Der Inhalt nichtbildlicher Ikone
verändert sich im Gegensatz zu den bildlichen Ikone nicht durch die
Darstellungsform. Der Buchstabe ‚E’ behält auch in unterschiedliche Größen oder
Typographien seine Bedeutung. Die bildlichen Zeichen werden anhand eines
Dreiecks mit den Ecken ‚Realität’, ‚Sprache’ und ‚Bildebene’ differenziert
(McCloud (2000), S.51). Sie beschreiben die Ähnlichkeiten mit einem realen
Gegenpart, die Bedeutung des Dargestellten und die Abstraktion, bei der Formen,
Farben und Linien auf nichts anderes weisen. Zwischen diesen Polen können
Bilder verortet werden, um die Bedeutung der verschiedenen Aspekte anzuzeigen.
Abbildung 7 (McCloud (2000), S.51) |
4.4
Die Sequenz
Die
primäre Hybridisierung nach Packard (2006, S.84ff) beschreibt das Verhältnis
von Einzelbildern, den Panels, zu der Sequenz.
Comics
erzählen ihre Geschichte in einer Folge von Bildern, und zwar dergestalt, dass keines
der Bilder für sich in der Lage ist, die Geschichte zu erzählen. […] In einem
einzelnen Bild sind zwar diverse Möglichkeiten angelegt, doch erst die Folge
kann zeigen, wie dieses Potential als Element der Narration aktiviert wird. […]
Das Einzelbild ist konstitutiv unabgeschlossen, vom Rahmen nicht ein für alle
abgeschlossen.“ (Breithaupt (2002) nach Dittmar (2008, S.44))
Der
Verstehensprozess würde zwischen dem Ganzen der Sequenz und dem propositionalen
Gehalt einzelner Panels oszillieren (Packard (2006), S.87). Ein Panel würde
daher nicht erst für sich betrachtet und interpretiert werden, um einen
Zusammenhang mit dem vorherigen Panel zu finden (Krafft (1978) nach Packard
(2006, S.73)). Im Vergleich zu dem Lesen von Schrift wäre es inadäquat, den
Comic zu buchstabieren. Der geübte Leser würde das Einzelpanel von vornherein
vom Kontext aus sehen und auf den Kontext hin interpretieren. Das einzelne Bild
zeigt jedoch im Vergleich zu Buchstaben komplexe Informationen und vollständige
Aussagen über die erzählte Welt.
Ein
besonderes Beispiel für Comics bietet McCloud (2001, S.210):
Abbildung 8 (nach McCloud (2001), S.210) |
Abbildung
8 könne sowohl ein Bild mit zwei schwarzen Quadraten, als auch ein Quadrat zu
zwei verschiedenen, aufeinander-folgenden Zeitpunkten sein. Durch die räumliche
Bewegung nach rechts bewege man sich also durch die Zeit. Genauso zeigen Noten
in einem Notensystem eine Verschiebung in der Zeit an. Dies gelingt durch eine
Abgrenzung zwischen den einzelnen Zeichen oder Bildern als komplexe Zeichen,
weshalb Wienhöfer (1979, S.53) Comics als Randlinien-Medium bezeichnet. Die
einzelnen Comicpanels werden durch eine Randlinie, dem Habitus, und einem
Bildzwischenraum, dem Hiatus, voneinander getrennt. Sie stellen nach
Dolle-Weinkauff (2002, S.498) konventionelle Zeichen dar. Wenn die Randlinie
fehle, wäre die Ausdehnung durch äußerste Punktmerkmale erkennbar. Der Hiatus
muss außerdem so weit oder eng sein, dass der Zusammenhang als Folge von
Einzelbildern wahrgenommen wird (Wienhöfer (1979), S.53). Kübler (1970)
beschreibt nach Wienhöfer (1979, S.55) die dreifache Leistung des Habitus.
Durch die raumsetzende geometrische Leistung wird ein Panel räumlich begrenzt
und isolierbar. Die inhaltssetzende kompositionelle Leistung ermöglicht eine
inhaltliche Zusammenfassung und Konzentration. Außerdem kann man mit der
Randlinie anhand der umgebungsgebundenen kommunikativen Leistung eine
Darstellung bzw. das künstlerische Objekt präsentieren. Durch die Randlinie
werden der Bildraum als Scheinraum von dem Umgebungsraum getrennt. Der
Umgebungsraum ist hierbei das reale Papier, auf dem der Comic gedruckt ist.
Die
erkannte Folge der Bilder kann unterschiedliche Formen annehmen. So
unterscheidet Wienhöfer (1979, S.97) vier verschiedene Leistungen, die durch
den Hiatus geleistet werden:
- temporärer Hiatus
- raumzeitlicher Hiatus
- räumlicher Hiatus
- vierter Hiatus
Durch
den Hiatus können also entweder ein Zeitintervalle oder eine raumzeitliche
Verschiebung dargestellt werden. Der räumliche Hiatus legt den Akzent auf eine
Ortsänderung der Personen oder die Gleichzeitig des Geschehens. Durch den
vierten Hiatus wird eine Wechsel der Realitätsebene oder der Ebene der
Bedeutung gezeigt. Die mögliche zeitliche und räumliche Verschiebung ist
hierbei von einer geringeren Bedeutung. So zeigt Kleist (2006, S.146) in der
Abbildung 9 die Schmerzen des Entzugs von Johnny Cash durch Scherben, die in
das Nervensystem stechen.
Abbildung 9 (Kleist (2006), S.146) |
McCloud
(2007, S.15ff) beschreibt sechs verschiedene Typen von Übergängen zwischen
Panels. Die Veränderungen des Raumes und der Zeit werden hierbei stärker
differenziert. Die Leistung des vierten Hiatus nach Wienhöfer (1979, S.97) wird
jedoch vernachlässigt.
- von Augenblick zu Augenblick
- von Handlung zu Handlung
- von Gegenstand zu Gegenstand
- von Szene zu Szene
- von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt
- Paralogie
Die
verschiedenen Übergänge lassen verschiedene Aussagen über die Verschiebung im
Raum und in der Zeit zu. Bei dem Übergang ‚von Augenblick zu Augenblick’ wird
eine Handlung durch eine Reihe von aufeinanderfolgenden Momente dargestellt.
Abbildung 10 (McCloud (2007), S.16) |
Im
Gegensatz dazu zeigt der zweite Typ von Übergängen die Handlungskette eines
Dinges oder eines Lebewesens. Nach einer Handlung wird die folgende Handlung einer
Figur oder eines Objektes gezeigt. Auch wenn sich der Standort der Betrachtung
verändern kann, bleibt hierbei der Aktant der Handlung erhalten. Dieser
Übergang ist nach McCloud (2000, S.74ff) besonders stark in den bekannten
europäischen und amerikanischen Comics repräsentiert. In den japanischen Comics
sei er jedoch weniger bedeutsam.
Abbildung 11 (McCloud (2007), S.16) |
Die
Übergange ‚von Gegenstand zu Gegenstand’ und ‚von Gesichtspunkt zu
Gesichtspunkt’ zeigen eine räumliche Verschiebung innerhalb einer Szene oder
eines Themas an. So lassen sich mit dem dritten Typ der Übergänge verschiedene
Perspektiven einer gesamten Szene erkennen, wodurch die Aufmerksamkeit des
Lesers gesteuert wird.
Abbildung
12 (McCloud (2007), S.16)
|
Innerhalb
eines Gesprächs kann so, wie in der Abbildung 12, z.B. die momentan sprechende
und handelnde Person gezeigt werden. Der Übergangstyp ‚von Gesichtspunkt zu
Gesichtspunkt’ legt den Fokus dagegen auf die Stimmung und den Eindruck einer
Szene. Die Panels der Abbildung 13 zeigen so verschiedene Aspekte eines
verregneten Tages.
Abbildung 13 (McCloud (2007), S.17) |
Eine Veränderung über erhebliche Distanzen in
Raum und Zeit wird durch den Übergang ‚von Szene zu Szene’ ausgedrückt. Es kann
damit die Geschichte verdichtet oder Gleichzeitigkeit in unterschiedlichen
Räumen dargestellt werden.
Abbildung 14 (McCloud (2007), S.17) |
Scheinbar
unlogische Übergänge sind Paralogien. Sie bedürfen besonderer Anforderungen, um
sie miteinander in Beziehung zu setzen.
Abbildung 15 (McCloud (2007), S.17) |
4.5
Die Schrift
Die
zweite Hybridisierung unterscheidet nach Packard (2006, S.259) Bild und
Schrift. Nach Nöth (2000, S.491) sind Comics durch die spezifische Synthese von
visuellen, verbalen und nonverbalen Zeichen, von Bild und Text von besonderen
semiotischen Interesse. Wienhöfer (1979, S.69) unterscheidet sieben
verschiedene Arten der verbalen Einheiten. Die folgenden drei Arten sind hier
von besonderer Bedeutung:
- Erzählertext
- Dialogtext
- Aufschriften oder Beschriftungen an repräsentierten Objekten innerhalb einer Zeichnung
Onomatopöie
als expressive und schallnachahmende Phonemfolgen und Grapheme, die sich auf
Begriffssequenzen beziehen, können zwar den Ort einer Expression und eines
Geräuschs anzeigen, weisen aber nicht auf etwas anderes. Auch das Titelemblem
und das Editorial haben in Bezug auf die Deixis innerhalb eines Comic nur
geringe Bedeutung. Die Dialogtexte haben nach Packard (2006, S.267) zwei
Positionen im Panel. Der erste Ort wird durch die Sprechblase angezeigt,
wodurch der Zeitverlauf der Kommunikation angegeben wird. Der zweite Ort wäre
die sprechende Figur, auf die mit dem Dorn der Sprechblase gezeigt wird. Dies
ist jedoch keine zwingende Bedingung der Dialogtexte, wie es sich an der
Abbildung 16 zeigen lässt.
Abbildung
16 (Moore/ Gibbons (2008), S.3)
|
Sie
übernehmen den dramatischen Anteil des Comics, wodurch die enge strukturelle
Verwandtschaft zwischen Film und Drama nach Pfister (2001, S.47) auf diese
Darstellungsform ausgeweitet werden kann. So kann der Panel als Bühne begriffen
werden. In dramatischen Texten werde ein Handlungsablauf jedoch innerhalb einer
geschlossenen szenischen Einheit in einem raum-zeitlichen Kontinuum
präsentiert. Die Umstellung der Chronologie, die Veränderung des Bildausschnitts
und weiteres aus dem Film, was auch im Comic verwendet wird, übernehme die
Rolle des fiktiven Erzählers (S2) (Pfister (2001), S.48). Dies wird durch den
Erzählertext verstärkt, der nach Packard (2006, S.267) nur ein Ort im Panel
hat.
Abbildung 17 (nach Pfister (2001), S.20) |
Nach
dem Kommunikationsmodell von Pfister (2001, S.20ff) gebe es einen empirischen
Autor (S4) und Leser (E4). S3 sei der im Text implizierte ‚ideale’ Autor. Der
vom Autor intendierte Leser wäre durch die Rolle E3 gekennzeichnet. S2 wäre der
fiktive Erzähler mit einer vermittelten Erzählfunktion und die beiden Rollen
S/E1 würden die dialogisch miteinander kommunizierenden fiktiven Personen
repräsentieren. Wenn der fiktive Erzähler eine eigenständige Figur wäre, lege
eine auktoriale Erzählsituation vor. Bei der Besetzung des fiktiven Erzählers
durch einen S/E1 wäre es eine Ich-Erzählung. Eine tendenzielle Reduktion der
Rolle S2 und E2 gegen null zeige dagegen ein personales Erzählen an. Daher ist
der Comic ein Text mit einer Überlagerung dramatischer und narrativer Elemente.
Die
Aufschriften oder Beschriftungen an repräsentierten Objekten innerhalb einer
Zeichnung können verschiedene Formen annehmen. Es ist dadurch möglich,
verwendete Produkte oder Orte zu benennen. Einen besonderen Fall bieten z.B.
Briefe oder Tagebücher. So können die Ausschnitte des Tagebuches von Rorschach
in Abbildung 18 als eigene Panels beschrieben werden, die lediglich Teile des
Buches zeigen.
Abbildung 18 (Moore/ Gibbons (2008), S.7) |
Auch
wenn die Randlinie sehr unregelmäßig verläuft, lassen sich drei verschiedene
Panels erkennen. Zwei Panels sind hierbei in einem übergreifenden Makropanel
positioniert. Der erste Übergang von einem Teil des Tagebuches zu einem anderen
Teil ist der Übergang ‚von Gegenstand zu Gegenstand’. Von dem Tagebuch gibt es
einen Übergang ‚von Szene zu Szene’ auf den Bürgersteig.
4.6
Das Verhältnis von Schrift und Bild
Bei
dem Verhältnis von Schrift und Bild innerhalb eines Panels beschreibt McCloud
(2007, S.130ff) sieben verschiedene Kategorien von Wort-Bild-Kombinationen:
- Textlastigkeit
- Bildlastigkeit
- Doppelung von Bild und Text
- Überschneidung von Bild und Text
- Verschränkung von Bild und Text
- Parallele
- Montage
Der
Text ist hier der verbale Anteil des Panels. In den ersten beiden Kategorien
werden die wesentlichen Informationen entweder über das Bild oder die Wörter
übermittelt, was unterschiedliche Vorteile hat. So können große Zeitspannen und
-abstände oder komplexe Sachverhalte durch den verbalen Anteil innerhalb eines
geringen Raumes übermittelt werden. Dies zeigt das Beispiel Abbildung 19:
Abbildung 19 (McCloud (2007), S.30) |
Durch
Schrift lässt sich der Inhalt eines Panels präzisieren, um die
Uneindeutigkeiten eines Bildes mit einem spezifischen Sinn zu versehen (McCloud
(2007), S.30). So können hier wesentliche Informationen ohne den
Dialogtext nicht erschlossen werden.
Außerdem rücke bei einem hohen Anteil von Dialogtext die Konversation in den
Vordergrund. Dies ermögliche größere Freiheiten für die Gestaltung der Bilder
(McCloud (2007), S.133). Auch in der Überschneidung fügt der Textanteil dem
Bildanteil einen Blickwinkel oder ein Detail der Gesamtheit hinzu. Hierbei hat
das Bild jedoch eine höhere Bedeutung für den Inhalt des Panels. Eine bildlastige
Kombination wäre jedoch unmittelbarer und direkter (McCloud (2007), S.133). So
gibt es bei dem Übergang ‚von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt’, der im
besonderen Maße die Stimmung einer Situation vermittelt, eine hohe Bedeutung
des Bildes. Die doppelte Vermittlung
wesentlicher Informationen durch Text und Bild ist eine Dopplung. Es wird
nichts präzisiert oder verdeutlicht, wodurch sich das Bild auch ohne Text
angemessen erschließen lässt. Wenn die Verbindung jedoch mehr als die
Einzelteile alleine aussagt, gibt es eine Verschränkung. Lügen der Figuren
können damit z.B. durch die Differenz von Wort und Handlung illustriert werden.
Abbildung 20 (Moore/ Gibbons (2008), S.177) |
Der
Leser wird hier besonders gefordert. Bei einer zu großen Differenz von Bild und
Text gibt es aber eine Unvereinbarkeit und ein paralleles Nebeneinanderlaufen
der beiden Bereiche, was erst durch die weiteren Panels gelöst werden kann.
Dies kann z.B. bei Dialogen aus vorherigen Panels geschehen, die weitergeführt
werden. Aufschriften oder Beschriftungen an repräsentierten Objekten innerhalb
einer Zeichnung und Onomatopöie gehören zur Montage, in der Buchstaben nach
McCloud (2007, S.139) verbildlicht werden.
4.7
Darstellung von Personen, Räumen und Zeit
In
Bezug auf die drei deiktischen Dimensionen Person, Raum und Zeit zeigen Comics
durch ihre Form Besonderheiten in der Darstellung von Personen, Orte und Zeit.
4.7.1
Darstellung von Personen
Die
Darstellung von Personen ist durch den Prozess des Cartooning gekennzeichnet.
An dem Dreieck in der Abbildung 7 von McCloud (2000, S.51) lässt sich die
Veränderung eines realen physischen Gesichtes zu einem Bild in einem Comic
nachvollziehen. Je mehr man von der Ecke der Realität in die Ecke der Sprache
fahre, würden spezifische Merkmale reduziert werden. Dies führe dazu, dass
lediglich zwei Punkte für die Augen und ein Strich für den Mund ausreichen, um
ein Gesicht mit den kommunikativ funktionalen Elementen zu konstruieren. Es ist
so auch möglich, in anderen Objekten Gesichter zu erkennen. Dadurch könne der
Cartoon von einer besonders großen Zielgruppe identifiziert werden, da sich die
simple Darstellung schnell wiedererkennen lasse (Packard (2006), S.123f). Dies
führe aber auch dazu, dass neben Konventionen und induktiven Regularisierungen
durch Wiederholungen des Motivs im Text eine Form der sinnsuchend unterstellten
Individualität benötigt werde (Packard (2006), S.121f). Es müsse eine Identität
oder Similarität zwischen den Panels einer Sequenz vorliegen. Dies entspricht
dem Schlussfolgerungstyp der Abduktion (Packard (2006), S.123ff), in dem aus
bekannten Effekten unbekannte Ursachen abgeleitet wird (Bredel (2007), S.157).
Von der Eigenschaft einer Klasse (Satz 1) und der Beobachtung eines
Einzelexemplars (Satz 2) würde damit auf die Eigenschaft des Einzelexemplars
(Satz 3) geschlossen:
„Satz 1: Alle Hunde brauchen
Auslauf.
Satz 2: Max braucht Auslauf.
Satz 3: Max ist ein Hund.“ (Bredel
(2007), S.157)
Da
die Abduktion auf Einzeldinge schließe, würde sie aus dem vorliegenden Zeichenmaterial
nach einer ausgewählten Regel auf das Vorliegen eines einzelnen Vorbildes für
die Abbildung weisen (Packard (2006), S.99). Aus einer Klasse von Figuren mit
einer Maske aus verschiedenen Panels und der Einzelbeobachtung, dass Batman
eine Maske trägt, kann z.B. geschlossen werden, dass in den verschiedenen
Panels Batman abgebildet ist.
Außerdem
ermögliche die Reduktion der spezifischen Merkmale eine Identifikation des
Lesers mit der Person in einem Panel, was über die Beschränkung des
Zeichenprozesses hinausgeht (Packard (2006), S.126). Nicht vorhandene
Informationen werden dabei durch den Rezipienten aufgefüllt, so dass Figuren
durch den Leser zum Leben gebracht werden. Nach Packard (2006, S.343f) ist der
Cartoon „ein Zeichen, das eine ikonische Form durch einen indexikalischen Bezug
zu imitativen Körperimagination des Rezipienten füllt“. Es ähnele einem
Menschen und weise auf Vorstellungen des Leser hin.
„Gestik zwingt den Leser also zum Aufruf der korrespondierenden körperlichen Imagination in der eigenen Körperwahrnehmung; selbst dort, wo er ihr nicht real nachgibt, identifiziert er die entsprechenden Handlungen der Comicfigur mit Bewegungsvorstellungen aus seiner Selbstrepräsentation.“ (Packard (2006), S.133)
Ein
Foto zeige lediglich das Gesicht eines anderen, das Cartoon zeige einen selbst
(McCloud (2000), S.36f). Daher könne durch den Grad der Realitätsnähe auch die
Nähe zu dem Leser selbst angezeigt werden.
4.7.2
Darstellung von Räumen
Innerhalb
eines Panels gibt es verschiedene Möglichkeiten, einen dreidimensionalen Raum
auf einer zweidimensionalen Ebene darzustellen, in dem auf verschiedene Objekte
gewiesen werden kann. Arnheim (2000, S.241ff) beschreibt die Erzeugung von
Tiefe als Folge von Überschneidung. Hierbei werden in einem Bild verschiedene
Figuren voneinander getrennt. Nicht sichtbare Teile der Figuren werden von dem
Rezipienten konstruiert.
Abbildung 21 (Uderzo (2005), S.39) |
In
der Abbildung 21 werden die Stämme der Bäume und die Personen vervollständigt.
Außerdem können verschiedene Ebenen der Nähe erkannt werden.
Wesentlich
genauere Informationen über den Standpunkt des Betrachters ermöglicht die
Zentralperspektive.
Abbildung 22 (Arnheim (2000), S.279) |
Anhand
eines Fluchtpunktes, der auf einer waagerechten Horizontlinie liegt, werden die
Größe, Form und Position der Objekte und der Figuren konstruiert. Die von dem
Fluchtpunkt ausgehenden Linien stellen eine der drei Raumdimension dar. Durch
einen weiteren Fluchtpunkt kann so eine weitere Raumdimension so konstruiert werden.
Zusätzlich erzeugt man je nach Position des Horizontes den Eindruck, das Objekt
frontal, von oben herab oder von einer tieferen Position aus zu betrachten. Die
geometrische Hilfskonstruktion der Zentralperspektive würde hierbei der
Projektion nahe kommen, die vom Auge an einem ganz bestimmten Punkt empfangen
werde (Arnheim (2000), S.279).
Innerhalb
einer Sequenz werden lediglich Ausschnitte eines größeren Raumes gezeigt.
Dadurch werden von dem Leser besondere Konstruktionsleitungen verlangt. Die einzelnen
Informationen mehrerer Panels müssen zu einem gemeinsamen Ort zusammengefasst
werden. Dies erfolgt durch eine induktive Schlussfolgerung. Von dem
Miteinanderauftreten der Eigenschaften, die an einem Einzelexemplar beobachtet
werden, wird darauf geschlossen, dass dieses Miteinanderauftreten als Zuordnung
generalisierbar ist (Bredel (2007), S. 157). Wenn also in einem Panel eine
Figur in einem bestimmten Raum stehe, würde dies auch auf die Darstellung der
Figur in den anderen Panels zutreffen. So werden in der Abbildung 23
verschiedene Bereiche eines Raumes gezeigt.
Abbildung 23 (Moore/ Gibbons (2008), S.60) |
Die
Abbildung 24 zeigt eine besondere Anforderung. Der Raum der Handlung, der im
ersten Panel gezeigt wird, wird in den folgenden Panels nicht mehr graphisch
dargestellt. Trotzdem verändert sich der Raum nicht.
Abbildung 24 ( Watterson (1991), S.35) |
In
verschiedenen Mangas ist es außerdem ein stilistisches Mittel, Stimmungen in
einzelnen Panels durch verschiedene Hintergründe besonders deutlich
darzustellen. Es können so z.B. Personen aus der Erinnerung der jeweiligen
Figur in die Situation mit eingebunden werden. Auch hier ist der eigentliche
Ort der Handlung nicht zu erkennen.
Abbildung 25 (Kishimoto (2006), S.38) |
4.7.3
Darstellung von Zeit
Nach
Schüwer (2002, S.192) ist es höchst problematisch, die Erzählzeit in einem
Comic zu bestimmen, insbesondere wenn keine Worte verwendet werden. Sie sei
höchst idiosynkratisch und stärker als in der geschriebenen Literatur von dem
individuellen Leseverhalten abhängig. Daher könne man nur von unterschiedlichen
Rhythmisierungen der erzählten Zeit sprechen. Die Rhythmisierung verläuft auf
der Ebene des Einzelbildes, der Ebene der Panelfolge und der Ebene des
Seitenlayouts.
Nach
Dammann (2002, S.93) gibt es vier Arten der Darstellung von Dauer in einem
Einzelbild:
- Synchronisierung von Sukzession in der Abbildung
- Rhetorik der Synekdoche in der Abbildung
- Verwendung comicspezifischer Bewegungszeichen
- Aufnahme von Dialog- oder Monologtext als Figurenrede in Blasen oder im Blocktext
Unter
der Rhetorik der Synekdoche wird von einem Ausschnitt einer Handlung auf den
umfassenderen Sachverhalt geschlossen. Ein Bild repräsentiert demnach nicht nur
einen Moment einer Handlung, sondern auch eine bestimmte Dauer. Die Dauer wird
nach Mahne (2007, S.55) unter anderem durch dynamische Körperposen angezeigt.
Durch eigene Bewegungserfahrungen werde damit ein Bewegungsablauf
rekonstruiert. Eisner (1995, S.41)
beschreibt Panels daher als einzelne, eingefrorene Szenen, die durch Rahmen
begrenzt sind. Bewegungszeichen zeigen zusätzlich die Teilhabe an einer
Handlung mit einem Ursprung und einer spezifischen Richtung. Sie können nach
Schüwer (2002, S.189) entweder analytisch oder synthetisch sein. Analytische
Bewegungslinien beziehen sich auf die Bewegung einzelner Teile, z.B. einer
Faust. Synthetische Bewegungslinien zeigen dagegen die Bewegung ganzer Körper
an. In einem Einzelbild können auch eigentlich sukzessive Handlungen
gleichzeitig auftreten. Dammann (2002, S.93) beschreibt hierzu einen Panel, in
dem die Figur mit einer Hand den Telefonhörer auflegt und sich mit dem Kopf zu
einer anderen Figur wendet. Das Beenden eines Telefongesprächs und die Wendung
des Kopfes werden als nacheinander ablaufende Tätigkeiten in einer Abbildung
synchronisiert. Die Synchronisation von Phasen einer Handlung wird außerdem
durch Vervielfältigungen der bewegten Figur, einzelner Körperteile oder mit ihr
in Verbindung stehender Objekte angezeigt (Mahne (2007), S.54). Die
Schriftsprache ist auch ein Zeitindikator. Das Aussprechen eines Dialogtextes
benötigt z.B. eine gewisse Zeit. Die räumliche Position der Sprechblasen zeigen
hierbei die zeitliche Positionen in einer Kommunikation an. Blocktexte, die auf
bildlich nicht Dargestelltes referieren, werden als hypothetische Panels
aufgefasst (Dammann (2002), S.98) und in die Sukzession der abstrakten Zeit
eingefügt. Die Bild- und Texteinheiten referieren aber nicht zwangsläufig auf
den gleichen Zeitabschnitt (Mahne (2007), S.56). So kann die Bildeinheit
Gegenwärtiges, Vergangenes oder Zukünftiges innerhalb der Erzählung darstellen.
Die Figurenrede von Figuren, die nicht im Panel zu sehen sind, kann
analeptisch, proleptisch oder gleichzeitig sein. Dadurch können verschiedene
Zeitebenen wie in der Abbildung 26 in
einem Panel vereint werden.
Das
Seitenlayout kann über die Panelgröße auf die Rhythmisierung der Zeit Einfluss
nehmen. Mehrere Panels ohne Inhalt würden so alleine mit dem Habitus, der
Randlinie, erzählende abstrakte Zeit repräsentieren (Dammann (2002), S.95). Ein
Projektor, der 90 Minuten lang einen unbelichteten Film zeigt, würde ebenso
Vorführzeit verwirklichen. Die relative Größe zeigt dabei das „Zeitgewicht“
(Dammann (2002), S.98) an. Ein größeres Einzelbild repräsentiere eine längere
Erzähldauer, als ein kleineres. Der Erzählrhythmus beschleunigt sich z.B. in
den unteren drei Panels der Abbildung 26.
Abbildung 26 (Koike/ Kamimura (2006), S.202) |
In
Bezug auf die Sequenz kann dies zu Differenzen führen. Die dynamische und
schnelle Erzählmethode mit dem Übergang ‚von Gegenstand zu Gegenstand’ kann
z.B. durch die Form der Panels gedehnt werden. Kleinere Panels können dagegen
den zeitdehnenden Übergang ‚von Augenblick zu Augenblick’ raffen.
[Fortsetzung folgt]
Literaturverzeichnis
Der Download des Artikels wird möglich sein, sobald
die Arbeit komplett erschienen ist.
Teil I finden Sie hier
Teil III erscheint voraussichtlich am 14.8.2012
Latest Version: 31-07-2012, 23:45
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