Dienstag, 31. Juli 2012

Deixis in Comics – Teil 2: Text und Comic

von Christoph Scholz

Beim vorliegenden Artikel handelt es sich um den ersten Teil der Schriftlichen Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung, unter Begutachtung von Frau Prof. Dr. Bredel, vorgelegt von Christoph Scholz am 17.12.2008 an der Universität Köln.
Im Laufe der nächsten Wochen wird die Arbeit komplett erscheinen.

Teil I finden Sie hier. Teil III erscheint voraussichtlich am 14.8.2012.


3. Der Text
Die Textlinguistik sei nach Linke et al. (2004, S.245) aus der Kritik an einer Sprachbeschreibung, in der der Satz neben dem Laut und dem Wort die grundlegende Beschreibungseinheit darstellte, heraus entwickelt worden. So können durch die Einheit ‚Text’ größere Einheiten von mehreren Sätzen beschrieben werden. In den 70 Jahren soll der Text sogar so hoch gewertet worden sein, dass das Sprechen gleichbedeutend mit der Äußerung von Texten gewesen sei (Linke et al. (2004), S.253). Daraus wird gefolgert, dass ein Text eine eigenständige Größe sei, die durch die eigenen Organisationsprinzipien mehr als die systematische Reihung von Sätzen anhand von Regeln der Kohäsion sei. Texthaftigkeit lässt sich dementsprechend nur unter Bezug auf die Gesamtheit bestimmen (Linke et al (2004), S.254). In einem ersten Versuch defibiert Fritz (2005, S.1070) Texte als komplexes sprachliches Zeichen. Ein Text werde hierbei durch bestimmte syntaktische Regeln geformt, weise ein inhaltliches Thema auf und habe eine pragmatische Funktion. Dies setze jedoch voraus, dass bestimmte Themen und Funktion statisch im Text verankert seien. Daher wird in einer zweiten Definition die Rolle des Lesers und des Schreibers im Prozess der Dekodierung und Kodierung hervorgehoben, der nach syntaktischen, semantischen und pragmatischen Regeln verläuft. So sind die Wissensbestände der einzelnen Akteure, also Kriterien außerhalb des Textes, von Bedeutung, um die Tiefenstruktur zu erschließen. Nach Hausendorff und Kesselheim (2008, S.31ff) hat Textualität drei Quellen:
  • die Wahrnehmbarkeit
  • die Sprachlichkeit von
  • die Vertrautheit
So müssen Textualitätshinweise in einem Text von einem Leser in einer Lektüresituation wahrgenommen und mittels der Grammatik und des Lexikons als sprachliche Konstrukte erkannt werden. Die Vertrautheit mit den Textualitätshinweisen wird über den Lektürekontext bestimmt.  Die sechs von Hausendorf und Kesselheim (2008, S.23) dargestellten Textualitätsmerkmale werden durch den Leser anhand dieser drei Quellen ermittelt:
  • Begrenzbarkeit
  • Intratextuelle Verknüpfbarkeit
  • Thematische Zusammengehörigkeit
  • Pragmatische Nützlichkeit
  • Musterhaftigkeit
  • Intertextuelle Beziehbarkeit
Texte sind demnach ein lesbares Etwas, das begrenzbar, in seinen Erscheinungsformen verknüpft und thematisch zusammengehörig ist. Außerdem sind sie pragmatisch nützlich, musterhaft und auf andere Texte beziehbar. Die intratextuellen Verknüpfungen erzeugen die Kohäsion innerhalb eines Textes und beschreiben die Oberflächenstruktur. Die Tiefenstruktur wird durch die thematische Zusammengehörigkeit, die Kohärenz, erzeugt.  Die Kohärenz und die pragmatische Nützlichkeit müssen aber in Bezug auf scheinbar unsinnige Texte mit bloßen Buchstabenkombinationen eingeschränkt werden und sind stark abhängig von dem Leser. Es kann sich aber eine Begrenzung und eine Musterhaftigkeit erkennen lassen, wenn z.B. die Form eines Gedichtes mit Versen und getrennten Strophen nachgeahmt wird. Die Begrenzung wird jedoch durch netzwerkartige Hypertexte (Linke et al. (2004), S.288) erschwert. So können sämtliche informationellen Einheiten, die miteinander verknüpft sind, als ein Text begriffen werden.


3.1 Kohäsion und Deixis
Nach der Definition eines Textes lassen sich Teile des Textes als Verknüpfung mit vorangegangenen Teilen beschreiben. So gibt es verschiedene Arten von Konnektiven, die die Art der Verknüpfung bestimmen. So kann das Wort ‚danach’ am Beginn eines Satzes eine temporale Beziehung zu dem Inhalt des Satzes davor anzeigen. ‚Deshalb’ zeigt dagegen eine kausale Beziehung an. Nach Linke et al. (2004, S.252) hat auch das Tempus eine gering aktive verknüpfende Fähigkeit. Die Beibehaltung der Zeitform zeige eine Zusammengehörigkeit an.
Außerdem kann Referenzidentität dazu verwendet werden, um zu verknüpfen. Die Wiederaufnahme von Referenz auf ein Referenzobjekt in gleicher (Rekurrenz) oder unterschiedlicher Form (Substitution) fassen verschiedene Sätze zusammen. Die Substitution ist hierbei mehr als die Koreferenz, da verschiedene und neue Bedeutungsaspekte des Referenzobjektes geäußert werden (Linke et al. (2004), S.247). Die Concorde kann als Riesenvogel oder Überschallflugzeug bezeichnet werden (Fritz (2005), S.1151). Die Aufgabe des Lesers ist es, die Gemeinsamkeiten der Wörter zu erkennen.
Kohäsion wird außerdem durch die Metadeixis im Zeichen- und im Nichtzeichenraum erzeugt. Sie ermöglicht es, durch Suchvorgaben, entweder Verhältnisse von Textteile anzuzeigen oder sprachliche Elemente mit der selben Referenz als zusammengehörig zu begreifen. Als Beispiel für solche Suchvorgaben schildern Linke et al. (2004, S.248ff) die Beziehung von bestimmten und unbestimmten Artikeln. Ein vorher unbekannter, aber wesentlicher Gegenstand werde durch einen unbestimmten Artikel gekennzeichnet. Bei einer Wiederaufnahme drücke ein bestimmter Artikel eine vorherige Bekanntheit aus. Es würde also auf vorhandene Wissensbestände gewiesen. Dies wird von Linke et al (2004, S.249) als (Vor-) Wissensdeixis begriffen. Da es jedoch lediglich eine Koreferenz mit einem außersprachlichen Objekt gibt, soll dies als Textphorik bezeichnet werden.  


3.2 Kohärenz und Deixis
Um thematische Zusammenhänge erkennen und deuten zu können müssen verschiedene Wissensbestände von Lesern aktiviert werden. Die Wissensbestände können hierbei unterschiedlichen Formen entsprechen (Linke et al. (2004), S.256ff):
  • Weltwissen
  • Handlungswissen
  • Konzeptuelle Deutungsmuster
Das Weltwissen ist der allgemeinste und umfassenste Wissensbereich. Es umfasst sowohl das alltägliche, als auch das enzyklopädische Wissen. In Gegensatz dazu bezeichnet das Handlungswissen lediglich das prozessual orientierte Wissen. Dadurch ist es möglich, in einer Handlungskette normale Handlungen von unnormalen zu unterscheiden. Die konzeptuelle Deutungsmuster strukturieren die Umwelt durch den Aufbau von drei Beziehungsarten. So können Dinge, Ereignisse, etc… in einer koordinativen Beziehung stehen. Sie treten dann in einer gemeinsamen Räumlichkeit, Situation oder einem Thema auf, wie z.B. in der Räumlichkeit ‚Schulzimmer’ oder dem Thema ‚Biologie’. Die temporale Beziehung beschreibt Vor-, Nach- und Gleichzeitigkeit. Zusätzlich können Ursachen und Wirkungen in einer kausalen Beziehung erfasst werden.  Nach von der Kammer (2004, S.14) werden Beziehungen zwischen Textteilen durch bestimmte Operationen ermittelt:
  • Das Unterscheiden
  • Das Identifizieren
  • Das Vergleichen
  • Das Relativieren
  • Das Klassifizieren
  • Das Abstrahieren
  • Das Schlussfolgern
  • Das Urteilen
  • Das Bewerten
Es müssen einzelne Informationen erst voneinander unterschieden, identifiziert und dann verglichen werden. Dadurch kann man sie graduell unterscheiden, d.h. relativieren, und anhand von einem oder mehreren Merkmalen zusammenfassen. Elemente mit einem wesentlichen Merkmal bilden Klassen. Das Abstrahieren sei dagegen ein komplexerer Vorgang, in dem man mehrere relevante Merkmale berücksichtige. Ein Beispiel für die Rolle der Klassifikation und Abstraktion bietet das Konzept der Isotopien von Greimas (1966) (Linke et al. (2004), S.260f). Aufgrund von semantischer Übereinstimmung oder Differenz würden Wörter über die Satzgrenzen hinweg Komplexe mit einen gemeinsamen Thema, sog. Isotopieebenen, bilden. Die Wörter ‚Huhn’, ‚Pferd’ und ‚Kuh’ haben z.B. die semantischen Gemeinsamkeit ‚Lebewesen’. Innerhalb eines Textes können mehrere Isotopieebenen vorhanden sein. In Verbindung mit außersprachlichen Wissensständen trifft der Leser außerdem Urteile, d.h., dass er Textinformationen einer Kategorie zuordnet, „die der Leser aus seinem Vorwissen reaktiviert“ (von der Kammer (2004), S.14) und im Text nicht genannt wird.

„Es ist auch möglich, dass Gruppen von Informationen miteinander verknüpft und einem bekannten Schema zugeordnet werden, z.B.: Soldaten – Schützengraben – Gewehre – Befehl → Situation an der Kriegsfront.“ (von der Kammer (2004), S.14)

Einzelne Informationen können also innerhalb bestimmter frames oder scripts in Beziehung gesetzt werden (Linke et al. (2004), S.265ff). Frames sind Rahmen, in die statische Wissensbestände, wie z.B. Personal und Einrichtungsgegenstände in einem Krankenhaus, organisiert sind. Die scripts, also die Szenen, zeigen Prozessmuster, z.B. den Verlauf eines Krankenbesuchs. Die frames gehören zu dem Vernetzungsmuster der Koordinierung, „wobei mit dem Begriff ‚frames’ auf bereits vorgefertigte Sets von koordinierten Objekten und Sachverhalten referiert wird“ (Linke et al. (2004), S.270). Durch eine gemeinsame Einordnungsinstanz oder eine koordinierend Perspektive werden verschiedene Elemente miteinander vernetzt. Daraus lässt sich die Bedeutung der Deixis für die Kohärenz erkennen. Die koordinierende Perspektive bildet hierbei die Origo, die in einer bestimmten Relation zu einem oder mehreren Deixsobjekten steht. Dies lässt sich durch die folgende Darstellung illustrieren:

Abbildung 5 (nach Linke et al. (2004), S.270)
Das Vernetzungsmuster der Chronologisierung lässt sich unter dem Gesichtspunkt der Deixis betrachten, wenn Vor-, Nach- oder Gleichzeitigkeit in Bezug auf eine Origo geschildert werden. Die Richtung des Textverlaufs muss dabei nicht mit der Zeitachse der Ereignisse übereinstimmen (Linke et al. (2004), S.271). Das letzte Vernetzungsmuster beschreibt Kausalbeziehungen, die indirekt mit der Deixis beschrieben werden können. In diesem Vernetzungsmuster können verschiedene temporale, lokale und personale Beziehungen auftauchen. So kann jemand erklären, dass er ‚dorthin’ gegangen sei, weil ‚diese Person’ ihn ‚vorher’ dazu gebeten habe. Nicht vorhandene Informationen können durch die Bindung an außersprachliche Wissensbeständen aus den vorhandenen Informationen geschlussfolgert werden. Dafür können Informationen als besser oder schlechter, wichtiger oder unwichtiger bewertet werden (von der Kammer (2004), S.14).

4. Der Comic
Comics stellen eine besondere Art von Texten mit spezifischen intratextuelle Verknüpfungen zwischen einzelnen, abgrenzbaren Einheiten dar. Sie sind begrenzbar und können sowohl eine thematische Zusammengehörigkeit, als auch pragmatische Nützlichkeit aufweisen. Außerdem entsprechen sie bestimmten Mustern und können sich auf andere Texte beziehen.


4.1 Der Begriff Comic
Nach Sackmann (2008, S.8) hat das englische Wort ‚Comic’ den Ursprung in dem lateinischen ‚comicus’, was sich auf die Wirkung des Lustspiels bezieht. Im 19. Jahrhundert wurde neben der Bedeutung ‚komisch’ auch ‚humoristisch’ darunter verstanden. So war das 1890 gegründete englische ‚Comic Cuts’ dem sog. Witzblatt in Deutschland ähnlich und enthielt kurze Texte und Bildergeschichten. Der Begriff Comic wurde nach Castelli (2003) (nach Sackmann (2008), S.9) 1891 von dem Scribner’s Magazine verwendet, um eine Beilage von Cartoons und Comics zu betiteln. Zu Beginn des 20. Jahrhundert führte die Zunahme von sequentiellen Bildwitzen zu einem Bedeutungswandel, wodurch Comics Bild-Erzählung im Allgemeinen beschrieben. In Deutschland wehrte man sich lange gegen diesen Begriff. Es wurden nach dem 2.Weltkrieg Bezeichnungen wie z.B. ‚Bilderfolge voller Abenteuer’, ‚Piccolo-Bildserie’ oder ‚Die utopische Bilderzeitung’ verwendet, um sich von den US-Comics abzusetzen (Sackmann (2008), S.9).

„In der kulturpolitischen Auseinandersetzung kam in Deutschland schließlich unterschwellig auch die Aversion gegen ein Element nicht-europäischer Kultur zur Sprache, eine Aversion, die sich über die plumpe Propaganda der Nazizeit zwar erhob, die sich in Teilbereichen aber aus derselben Vorstellung speiste.“ (Sackmann (2008), S.10)

Trotz der Ablehnung durch Pädagogen und bürgerlichen Kreise etablierte sich der Begriff in den 50er Jahren als Teil der Kinder- und Jugendliteratur. In den 60er Jahren gab es dann durch ‚Asterix’ und ‚Lucky Luke’ eine Differenzierung der Genres (Dolle-Weinkauf (2002), S.505). Comics wurden so von der eigentlichen Bedeutung ‚humoristisch’ getrennt und als eigene Form des Erzählens begriffen.


4.2 Definition des Comics
[…, gekürzt, d.h.]
Für eine Definition verweisen wir auf den entsprechen Artikel.


4.3 Die Zeichen
McCloud (2000, S.9) stellte in seiner Definition dar, dass die Comicsequenz aus bildlichen und anderen Zeichen bestehe. Diese werden innerhalb einzelner Bilder, den Panels, realisiert. Nach Volli (2002, S.27) sind Zeichen keine feststehenden Sachen, sondern ein sozialer und kultureller Bezug. Man bildet aus zwei Phänomenen eine zeichenhafte Beziehung. Ein Zeichen, das Signifikant, steht so für einen Gegenstand, einen Signifikat. Daher kann ein Fleck auf der Haut einem Arzt als Zeichen für Masern dienen (Volli (2002), S.28f). Das Wort ‚Masern’ repräsentiere jedoch mehrere Inhalte, wie z.B. die verschiedenen Symptome, Ursachen und Therapien. Dies zeigt das semiotische Dreieck von Odgen und Richards (1923) (nach Nöth (2000), S.140). Nach heutiger Terminologie werden hier Zeichenträger, Bedeutung und Referenzobjekt miteinander verbunden. Volli (2002, S.29f) bezeichnet diese Bedeutung  als Interpretant. Er wäre ein weiterer Signifikant, der die Art und Weise bestimmt, wie ein bestimmter Signifikant einem gegebenen Signifikat als Zeichen dienen kann. Die Interpretationsleistung sei also selbst ein Zeichen, das die Verbindung zwischen den Zeichenreiz und der unmittelbaren Referenz zeige (Packard (2006), S.21). Dies führt zu immer weiteren Interpretanten, um den vorhergehenden Interpretanten zu verstehen. Der Mensch wäre daher in einer unbegrenzte Verkettung von Ideenassoziationen verstrickt (Volli (2002), S.30).
Abbildung 6 (nach Odgen und Richards (1923) (nach Nöth (2000), S.140)

Die Zeichen können nach Volli (2002, S.33) durch drei verschiedene Funktionsweisen unterschieden werden:
  • das Ikon
  • das hinweisende Zeichen
  • das Symbol
Das Ikon weist eine Ähnlichkeit mit dem Signifikat auf oder ahmt ihn nach (Nöth (2000), S.473). Da es jedoch absolute Ähnlichkeit nur bei Dubletten oder Repliken gebe, würde es kein wahrhaft ikonische Zeichen geben, sondern nur solche, bei denen der bildhafte Aspekt vorherrschend wirkt. Eco (2000) bezeichnet sie nach Volli (2002, S.35) als Hypoikone. Karikaturen werden auch bei starker Übertreibung einzelner Merkmale erkannt und lautmalende Worte, wie z.B. ‚kikeriki’, unterscheiden sich in den verschiedenen Sprachen. Es gibt also eine natürlich transparente und eine konventionalisierte Beziehung. Daher sei das Lesen eines Bildes einfacher als das Erlernen eines arbitären Kodesystems (Nöth (2000) S.457). Hinweisende Zeichen haben statt einer mehr oder weniger starken Ähnlichkeit zu einem Signifikat eine physikalische oder kausale Verbindung zu ihm (Volli  (2002), S.36). So weist die Richtung einer Fahne auf die des Windes oder das Pronomen ‚du’ deiktisch auf beide Personen in einer Kommunikationssituation. Ein Foto weist darauf hin, dass sich zu einem bestimmten Moment z.B. ein Gegenstand oder eine Person vor dem Objektiv befunden hat, und kann deshalb auch zur Lüge verwendet werden. Durch den hinweisenden Zeichenbezug können daher Wirklichkeitseffekte, sog. Referenzillusionen, verliehen werden (Volli (2002), S.38). Dies mache jene Zeichen für Aussagen bedeutsam, um die Rollen von Sendern und Adressat sowie die Umstände der Kommunikation innerhalb der Botschaft zu vergegenwärtigen. Symbolen wird die Bedeutung auf dem Wege der Konvention zugesprochen (Linke et al. (2004), S.22). Der Zusammenhang ist arbiträr, d.h. willkürlich und unmotiviert. So kann man eine Frau ‚donna’, ‚woman’ oder ‚Frau’ nennen. Dieser Zusammenhang ist aber nicht grundlos oder rein individuell (Volli (2002), S.40), da die kommunikative Aufgabe erfüllt werden soll. Nach Mahne (2007, S.49) gibt es im Comic Symbole, die nicht wahrnehmbares als Konsequenz der medialen Begrenzung visualieren, und Symbole, die allgemein nicht sichtbare Elemente darstellen. So gibt es das Symbol der Sprechblase, um Rede- und Gedankenpräsentation zu ermöglichen, oder das Symbol der Aktionslinie als Indikator von Bewegung. Außerdem können Emotionen symbolisiert werden.
McCloud (2000, S.27f) fasst den Begriff ‚Ikon’ wesentlich umfassender. Der Begriff ‚Symbol’ sei für ihn zu überladen. Nach ihm bezeichnen Ikone nichtbildliche Zeichen, die sowohl Konzepte, Ideen und Philosophien, als auch Sprachen, Wissenschaften und Kommunikation zeigen, und bildliche Zeichen, die durch Ähnlichkeiten auf Gegenstände und Lebewesen referieren. Der Inhalt nichtbildlicher Ikone verändert sich im Gegensatz zu den bildlichen Ikone nicht durch die Darstellungsform. Der Buchstabe ‚E’ behält auch in unterschiedliche Größen oder Typographien seine Bedeutung. Die bildlichen Zeichen werden anhand eines Dreiecks mit den Ecken ‚Realität’, ‚Sprache’ und ‚Bildebene’ differenziert (McCloud (2000), S.51). Sie beschreiben die Ähnlichkeiten mit einem realen Gegenpart, die Bedeutung des Dargestellten und die Abstraktion, bei der Formen, Farben und Linien auf nichts anderes weisen. Zwischen diesen Polen können Bilder verortet werden, um die Bedeutung der verschiedenen Aspekte anzuzeigen.
Abbildung 7 (McCloud (2000), S.51)
Dementsprechend ist die Schrift das Ende eines Prozesses, in dem Zeichen die Ähnlichkeit zu einem Referenzobjekt verlieren. Somit kann das Wort ‚Gesicht’ in verschiedenen Kontexten nicht nur auf ein spezifisches Gesicht, sondern auf auch auf mehrere referieren.  


4.4 Die Sequenz
Die primäre Hybridisierung nach Packard (2006, S.84ff) beschreibt das Verhältnis von Einzelbildern, den Panels, zu der Sequenz.

Comics erzählen ihre Geschichte in einer Folge von Bildern, und zwar dergestalt, dass keines der Bilder für sich in der Lage ist, die Geschichte zu erzählen. […] In einem einzelnen Bild sind zwar diverse Möglichkeiten angelegt, doch erst die Folge kann zeigen, wie dieses Potential als Element der Narration aktiviert wird. […] Das Einzelbild ist konstitutiv unabgeschlossen, vom Rahmen nicht ein für alle abgeschlossen.“ (Breithaupt (2002) nach Dittmar (2008, S.44))

Der Verstehensprozess würde zwischen dem Ganzen der Sequenz und dem propositionalen Gehalt einzelner Panels oszillieren (Packard (2006), S.87). Ein Panel würde daher nicht erst für sich betrachtet und interpretiert werden, um einen Zusammenhang mit dem vorherigen Panel zu finden (Krafft (1978) nach Packard (2006, S.73)). Im Vergleich zu dem Lesen von Schrift wäre es inadäquat, den Comic zu buchstabieren. Der geübte Leser würde das Einzelpanel von vornherein vom Kontext aus sehen und auf den Kontext hin interpretieren. Das einzelne Bild zeigt jedoch im Vergleich zu Buchstaben komplexe Informationen und vollständige Aussagen über die erzählte Welt.
Ein besonderes Beispiel für Comics bietet McCloud (2001, S.210):


Abbildung 8 (nach McCloud (2001), S.210)
Abbildung 8 könne sowohl ein Bild mit zwei schwarzen Quadraten, als auch ein Quadrat zu zwei verschiedenen, aufeinander-folgenden Zeitpunkten sein. Durch die räumliche Bewegung nach rechts bewege man sich also durch die Zeit. Genauso zeigen Noten in einem Notensystem eine Verschiebung in der Zeit an. Dies gelingt durch eine Abgrenzung zwischen den einzelnen Zeichen oder Bildern als komplexe Zeichen, weshalb Wienhöfer (1979, S.53) Comics als Randlinien-Medium bezeichnet. Die einzelnen Comicpanels werden durch eine Randlinie, dem Habitus, und einem Bildzwischenraum, dem Hiatus, voneinander getrennt. Sie stellen nach Dolle-Weinkauff (2002, S.498) konventionelle Zeichen dar. Wenn die Randlinie fehle, wäre die Ausdehnung durch äußerste Punktmerkmale erkennbar. Der Hiatus muss außerdem so weit oder eng sein, dass der Zusammenhang als Folge von Einzelbildern wahrgenommen wird (Wienhöfer (1979), S.53). Kübler (1970) beschreibt nach Wienhöfer (1979, S.55) die dreifache Leistung des Habitus. Durch die raumsetzende geometrische Leistung wird ein Panel räumlich begrenzt und isolierbar. Die inhaltssetzende kompositionelle Leistung ermöglicht eine inhaltliche Zusammenfassung und Konzentration. Außerdem kann man mit der Randlinie anhand der umgebungsgebundenen kommunikativen Leistung eine Darstellung bzw. das künstlerische Objekt präsentieren. Durch die Randlinie werden der Bildraum als Scheinraum von dem Umgebungsraum getrennt. Der Umgebungsraum ist hierbei das reale Papier, auf dem der Comic gedruckt ist.
Die erkannte Folge der Bilder kann unterschiedliche Formen annehmen. So unterscheidet Wienhöfer (1979, S.97) vier verschiedene Leistungen, die durch den Hiatus geleistet werden:
  • temporärer Hiatus
  • raumzeitlicher Hiatus
  • räumlicher Hiatus
  • vierter Hiatus
Durch den Hiatus können also entweder ein Zeitintervalle oder eine raumzeitliche Verschiebung dargestellt werden. Der räumliche Hiatus legt den Akzent auf eine Ortsänderung der Personen oder die Gleichzeitig des Geschehens. Durch den vierten Hiatus wird eine Wechsel der Realitätsebene oder der Ebene der Bedeutung gezeigt. Die mögliche zeitliche und räumliche Verschiebung ist hierbei von einer geringeren Bedeutung. So zeigt Kleist (2006, S.146) in der Abbildung 9 die Schmerzen des Entzugs von Johnny Cash durch Scherben, die in das Nervensystem stechen.

Abbildung 9 (Kleist (2006), S.146)
McCloud (2007, S.15ff) beschreibt sechs verschiedene Typen von Übergängen zwischen Panels. Die Veränderungen des Raumes und der Zeit werden hierbei stärker differenziert. Die Leistung des vierten Hiatus nach Wienhöfer (1979, S.97) wird jedoch vernachlässigt.
  • von Augenblick zu Augenblick
  • von Handlung zu Handlung
  • von Gegenstand zu Gegenstand
  • von Szene zu Szene
  • von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt
  • Paralogie
Die verschiedenen Übergänge lassen verschiedene Aussagen über die Verschiebung im Raum und in der Zeit zu. Bei dem Übergang ‚von Augenblick zu Augenblick’ wird eine Handlung durch eine Reihe von aufeinanderfolgenden Momente dargestellt.

Abbildung 10 (McCloud (2007), S.16)
Im Gegensatz dazu zeigt der zweite Typ von Übergängen die Handlungskette eines Dinges oder eines Lebewesens. Nach einer Handlung wird die folgende Handlung einer Figur oder eines Objektes gezeigt. Auch wenn sich der Standort der Betrachtung verändern kann, bleibt hierbei der Aktant der Handlung erhalten. Dieser Übergang ist nach McCloud (2000, S.74ff) besonders stark in den bekannten europäischen und amerikanischen Comics repräsentiert. In den japanischen Comics sei er jedoch weniger bedeutsam.

Abbildung 11 (McCloud (2007), S.16)
Die Übergange ‚von Gegenstand zu Gegenstand’ und ‚von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt’ zeigen eine räumliche Verschiebung innerhalb einer Szene oder eines Themas an. So lassen sich mit dem dritten Typ der Übergänge verschiedene Perspektiven einer gesamten Szene erkennen, wodurch die Aufmerksamkeit des Lesers gesteuert wird.


Abbildung 12 (McCloud (2007), S.16)
Innerhalb eines Gesprächs kann so, wie in der Abbildung 12, z.B. die momentan sprechende und handelnde Person gezeigt werden. Der Übergangstyp ‚von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt’ legt den Fokus dagegen auf die Stimmung und den Eindruck einer Szene. Die Panels der Abbildung 13 zeigen so verschiedene Aspekte eines verregneten Tages.

Abbildung 13 (McCloud (2007), S.17)
Eine Veränderung über erhebliche Distanzen in Raum und Zeit wird durch den Übergang ‚von Szene zu Szene’ ausgedrückt. Es kann damit die Geschichte verdichtet oder Gleichzeitigkeit in unterschiedlichen Räumen dargestellt werden.

Abbildung 14 (McCloud (2007), S.17)
Scheinbar unlogische Übergänge sind Paralogien. Sie bedürfen besonderer Anforderungen, um sie miteinander in Beziehung zu setzen.

Abbildung 15 (McCloud (2007), S.17)


4.5 Die Schrift
Die zweite Hybridisierung unterscheidet nach Packard (2006, S.259) Bild und Schrift. Nach Nöth (2000, S.491) sind Comics durch die spezifische Synthese von visuellen, verbalen und nonverbalen Zeichen, von Bild und Text von besonderen semiotischen Interesse. Wienhöfer (1979, S.69) unterscheidet sieben verschiedene Arten der verbalen Einheiten. Die folgenden drei Arten sind hier von besonderer Bedeutung:
  • Erzählertext
  • Dialogtext
  • Aufschriften oder Beschriftungen an repräsentierten Objekten innerhalb einer Zeichnung
Onomatopöie als expressive und schallnachahmende Phonemfolgen und Grapheme, die sich auf Begriffssequenzen beziehen, können zwar den Ort einer Expression und eines Geräuschs anzeigen, weisen aber nicht auf etwas anderes. Auch das Titelemblem und das Editorial haben in Bezug auf die Deixis innerhalb eines Comic nur geringe Bedeutung. Die Dialogtexte haben nach Packard (2006, S.267) zwei Positionen im Panel. Der erste Ort wird durch die Sprechblase angezeigt, wodurch der Zeitverlauf der Kommunikation angegeben wird. Der zweite Ort wäre die sprechende Figur, auf die mit dem Dorn der Sprechblase gezeigt wird. Dies ist jedoch keine zwingende Bedingung der Dialogtexte, wie es sich an der Abbildung 16 zeigen lässt.


Abbildung 16 (Moore/ Gibbons (2008), S.3)

Sie übernehmen den dramatischen Anteil des Comics, wodurch die enge strukturelle Verwandtschaft zwischen Film und Drama nach Pfister (2001, S.47) auf diese Darstellungsform ausgeweitet werden kann. So kann der Panel als Bühne begriffen werden. In dramatischen Texten werde ein Handlungsablauf jedoch innerhalb einer geschlossenen szenischen Einheit in einem raum-zeitlichen Kontinuum präsentiert. Die Umstellung der Chronologie, die Veränderung des Bildausschnitts und weiteres aus dem Film, was auch im Comic verwendet wird, übernehme die Rolle des fiktiven Erzählers (S2) (Pfister (2001), S.48). Dies wird durch den Erzählertext verstärkt, der nach Packard (2006, S.267) nur ein Ort im Panel hat.

Abbildung 17 (nach Pfister (2001), S.20)
Nach dem Kommunikationsmodell von Pfister (2001, S.20ff) gebe es einen empirischen Autor (S4) und Leser (E4). S3 sei der im Text implizierte ‚ideale’ Autor. Der vom Autor intendierte Leser wäre durch die Rolle E3 gekennzeichnet. S2 wäre der fiktive Erzähler mit einer vermittelten Erzählfunktion und die beiden Rollen S/E1 würden die dialogisch miteinander kommunizierenden fiktiven Personen repräsentieren. Wenn der fiktive Erzähler eine eigenständige Figur wäre, lege eine auktoriale Erzählsituation vor. Bei der Besetzung des fiktiven Erzählers durch einen S/E1 wäre es eine Ich-Erzählung. Eine tendenzielle Reduktion der Rolle S2 und E2 gegen null zeige dagegen ein personales Erzählen an. Daher ist der Comic ein Text mit einer Überlagerung dramatischer und narrativer Elemente.
Die Aufschriften oder Beschriftungen an repräsentierten Objekten innerhalb einer Zeichnung können verschiedene Formen annehmen. Es ist dadurch möglich, verwendete Produkte oder Orte zu benennen. Einen besonderen Fall bieten z.B. Briefe oder Tagebücher. So können die Ausschnitte des Tagebuches von Rorschach in Abbildung 18 als eigene Panels beschrieben werden, die lediglich Teile des Buches zeigen. 
Abbildung 18 (Moore/ Gibbons (2008), S.7)

Auch wenn die Randlinie sehr unregelmäßig verläuft, lassen sich drei verschiedene Panels erkennen. Zwei Panels sind hierbei in einem übergreifenden Makropanel positioniert. Der erste Übergang von einem Teil des Tagebuches zu einem anderen Teil ist der Übergang ‚von Gegenstand zu Gegenstand’. Von dem Tagebuch gibt es einen Übergang ‚von Szene zu Szene’ auf den Bürgersteig.












4.6 Das Verhältnis von Schrift und Bild
Bei dem Verhältnis von Schrift und Bild innerhalb eines Panels beschreibt McCloud (2007, S.130ff) sieben verschiedene Kategorien von Wort-Bild-Kombinationen:
  • Textlastigkeit
  • Bildlastigkeit
  • Doppelung von Bild und Text
  • Überschneidung von Bild und Text
  • Verschränkung von Bild und Text
  • Parallele
  • Montage
Der Text ist hier der verbale Anteil des Panels. In den ersten beiden Kategorien werden die wesentlichen Informationen entweder über das Bild oder die Wörter übermittelt, was unterschiedliche Vorteile hat. So können große Zeitspannen und -abstände oder komplexe Sachverhalte durch den verbalen Anteil innerhalb eines geringen Raumes übermittelt werden. Dies zeigt das Beispiel Abbildung 19:

Abbildung 19 (McCloud (2007), S.30)
Durch Schrift lässt sich der Inhalt eines Panels präzisieren, um die Uneindeutigkeiten eines Bildes mit einem spezifischen Sinn zu versehen (McCloud (2007), S.30). So können hier wesentliche Informationen ohne den Dialogtext  nicht erschlossen werden. Außerdem rücke bei einem hohen Anteil von Dialogtext die Konversation in den Vordergrund. Dies ermögliche größere Freiheiten für die Gestaltung der Bilder (McCloud (2007), S.133). Auch in der Überschneidung fügt der Textanteil dem Bildanteil einen Blickwinkel oder ein Detail der Gesamtheit hinzu. Hierbei hat das Bild jedoch eine höhere Bedeutung für den Inhalt des Panels. Eine bildlastige Kombination wäre jedoch unmittelbarer und direkter (McCloud (2007), S.133). So gibt es bei dem Übergang ‚von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt’, der im besonderen Maße die Stimmung einer Situation vermittelt, eine hohe Bedeutung des Bildes.  Die doppelte Vermittlung wesentlicher Informationen durch Text und Bild ist eine Dopplung. Es wird nichts präzisiert oder verdeutlicht, wodurch sich das Bild auch ohne Text angemessen erschließen lässt. Wenn die Verbindung jedoch mehr als die Einzelteile alleine aussagt, gibt es eine Verschränkung. Lügen der Figuren können damit z.B. durch die Differenz von Wort und Handlung illustriert werden.

Abbildung 20 (Moore/ Gibbons (2008), S.177)
Der Leser wird hier besonders gefordert. Bei einer zu großen Differenz von Bild und Text gibt es aber eine Unvereinbarkeit und ein paralleles Nebeneinanderlaufen der beiden Bereiche, was erst durch die weiteren Panels gelöst werden kann. Dies kann z.B. bei Dialogen aus vorherigen Panels geschehen, die weitergeführt werden. Aufschriften oder Beschriftungen an repräsentierten Objekten innerhalb einer Zeichnung und Onomatopöie gehören zur Montage, in der Buchstaben nach McCloud (2007, S.139) verbildlicht werden.



4.7 Darstellung von Personen, Räumen und Zeit
In Bezug auf die drei deiktischen Dimensionen Person, Raum und Zeit zeigen Comics durch ihre Form Besonderheiten in der Darstellung von Personen, Orte und Zeit.


4.7.1 Darstellung von Personen
Die Darstellung von Personen ist durch den Prozess des Cartooning gekennzeichnet. An dem Dreieck in der Abbildung 7 von McCloud (2000, S.51) lässt sich die Veränderung eines realen physischen Gesichtes zu einem Bild in einem Comic nachvollziehen. Je mehr man von der Ecke der Realität in die Ecke der Sprache fahre, würden spezifische Merkmale reduziert werden. Dies führe dazu, dass lediglich zwei Punkte für die Augen und ein Strich für den Mund ausreichen, um ein Gesicht mit den kommunikativ funktionalen Elementen zu konstruieren. Es ist so auch möglich, in anderen Objekten Gesichter zu erkennen. Dadurch könne der Cartoon von einer besonders großen Zielgruppe identifiziert werden, da sich die simple Darstellung schnell wiedererkennen lasse (Packard (2006), S.123f). Dies führe aber auch dazu, dass neben Konventionen und induktiven Regularisierungen durch Wiederholungen des Motivs im Text eine Form der sinnsuchend unterstellten Individualität benötigt werde (Packard (2006), S.121f). Es müsse eine Identität oder Similarität zwischen den Panels einer Sequenz vorliegen. Dies entspricht dem Schlussfolgerungstyp der Abduktion (Packard (2006), S.123ff), in dem aus bekannten Effekten unbekannte Ursachen abgeleitet wird (Bredel (2007), S.157). Von der Eigenschaft einer Klasse (Satz 1) und der Beobachtung eines Einzelexemplars (Satz 2) würde damit auf die Eigenschaft des Einzelexemplars (Satz 3) geschlossen:

            „Satz 1: Alle Hunde brauchen Auslauf.
            Satz 2: Max braucht Auslauf.
            Satz 3: Max ist ein Hund.“ (Bredel (2007), S.157)

Da die Abduktion auf Einzeldinge schließe, würde sie aus dem vorliegenden Zeichenmaterial nach einer ausgewählten Regel auf das Vorliegen eines einzelnen Vorbildes für die Abbildung weisen (Packard (2006), S.99). Aus einer Klasse von Figuren mit einer Maske aus verschiedenen Panels und der Einzelbeobachtung, dass Batman eine Maske trägt, kann z.B. geschlossen werden, dass in den verschiedenen Panels Batman abgebildet ist.
Außerdem ermögliche die Reduktion der spezifischen Merkmale eine Identifikation des Lesers mit der Person in einem Panel, was über die Beschränkung des Zeichenprozesses hinausgeht (Packard (2006), S.126). Nicht vorhandene Informationen werden dabei durch den Rezipienten aufgefüllt, so dass Figuren durch den Leser zum Leben gebracht werden. Nach Packard (2006, S.343f) ist der Cartoon „ein Zeichen, das eine ikonische Form durch einen indexikalischen Bezug zu imitativen Körperimagination des Rezipienten füllt“. Es ähnele einem Menschen und weise auf Vorstellungen des Leser hin. 

„Gestik zwingt den Leser also zum Aufruf der korrespondierenden körperlichen Imagination in der eigenen Körperwahrnehmung; selbst dort, wo er ihr nicht real nachgibt, identifiziert er die entsprechenden Handlungen der Comicfigur mit Bewegungsvorstellungen aus seiner Selbstrepräsentation.“ (Packard (2006), S.133)
Ein Foto zeige lediglich das Gesicht eines anderen, das Cartoon zeige einen selbst (McCloud (2000), S.36f). Daher könne durch den Grad der Realitätsnähe auch die Nähe zu dem Leser selbst angezeigt werden.


4.7.2 Darstellung von Räumen
Innerhalb eines Panels gibt es verschiedene Möglichkeiten, einen dreidimensionalen Raum auf einer zweidimensionalen Ebene darzustellen, in dem auf verschiedene Objekte gewiesen werden kann. Arnheim (2000, S.241ff) beschreibt die Erzeugung von Tiefe als Folge von Überschneidung. Hierbei werden in einem Bild verschiedene Figuren voneinander getrennt. Nicht sichtbare Teile der Figuren werden von dem Rezipienten konstruiert.

Abbildung 21 (Uderzo (2005), S.39)
In der Abbildung 21 werden die Stämme der Bäume und die Personen vervollständigt. Außerdem können verschiedene Ebenen der Nähe erkannt werden.
Wesentlich genauere Informationen über den Standpunkt des Betrachters ermöglicht die Zentralperspektive.

Abbildung 22 (Arnheim (2000), S.279)
Anhand eines Fluchtpunktes, der auf einer waagerechten Horizontlinie liegt, werden die Größe, Form und Position der Objekte und der Figuren konstruiert. Die von dem Fluchtpunkt ausgehenden Linien stellen eine der drei Raumdimension dar. Durch einen weiteren Fluchtpunkt kann so eine weitere Raumdimension so konstruiert werden. Zusätzlich erzeugt man je nach Position des Horizontes den Eindruck, das Objekt frontal, von oben herab oder von einer tieferen Position aus zu betrachten. Die geometrische Hilfskonstruktion der Zentralperspektive würde hierbei der Projektion nahe kommen, die vom Auge an einem ganz bestimmten Punkt empfangen werde (Arnheim (2000), S.279).
Innerhalb einer Sequenz werden lediglich Ausschnitte eines größeren Raumes gezeigt. Dadurch werden von dem Leser besondere Konstruktionsleitungen verlangt. Die einzelnen Informationen mehrerer Panels müssen zu einem gemeinsamen Ort zusammengefasst werden. Dies erfolgt durch eine induktive Schlussfolgerung. Von dem Miteinanderauftreten der Eigenschaften, die an einem Einzelexemplar beobachtet werden, wird darauf geschlossen, dass dieses Miteinanderauftreten als Zuordnung generalisierbar ist (Bredel (2007), S. 157). Wenn also in einem Panel eine Figur in einem bestimmten Raum stehe, würde dies auch auf die Darstellung der Figur in den anderen Panels zutreffen. So werden in der Abbildung 23 verschiedene Bereiche eines Raumes gezeigt.

Abbildung 23 (Moore/ Gibbons (2008), S.60)
Die Abbildung 24 zeigt eine besondere Anforderung. Der Raum der Handlung, der im ersten Panel gezeigt wird, wird in den folgenden Panels nicht mehr graphisch dargestellt. Trotzdem verändert sich der Raum nicht.

Abbildung 24 ( Watterson (1991), S.35)
In verschiedenen Mangas ist es außerdem ein stilistisches Mittel, Stimmungen in einzelnen Panels durch verschiedene Hintergründe besonders deutlich darzustellen. Es können so z.B. Personen aus der Erinnerung der jeweiligen Figur in die Situation mit eingebunden werden. Auch hier ist der eigentliche Ort der Handlung nicht zu erkennen.

Abbildung 25 (Kishimoto (2006), S.38)

4.7.3 Darstellung von Zeit
Nach Schüwer (2002, S.192) ist es höchst problematisch, die Erzählzeit in einem Comic zu bestimmen, insbesondere wenn keine Worte verwendet werden. Sie sei höchst idiosynkratisch und stärker als in der geschriebenen Literatur von dem individuellen Leseverhalten abhängig. Daher könne man nur von unterschiedlichen Rhythmisierungen der erzählten Zeit sprechen. Die Rhythmisierung verläuft auf der Ebene des Einzelbildes, der Ebene der Panelfolge und der Ebene des Seitenlayouts.
Nach Dammann (2002, S.93) gibt es vier Arten der Darstellung von Dauer in einem Einzelbild:
  • Synchronisierung von Sukzession in der Abbildung
  • Rhetorik der Synekdoche in der Abbildung
  • Verwendung comicspezifischer Bewegungszeichen
  • Aufnahme von Dialog- oder Monologtext als Figurenrede in Blasen oder im Blocktext
Unter der Rhetorik der Synekdoche wird von einem Ausschnitt einer Handlung auf den umfassenderen Sachverhalt geschlossen. Ein Bild repräsentiert demnach nicht nur einen Moment einer Handlung, sondern auch eine bestimmte Dauer. Die Dauer wird nach Mahne (2007, S.55) unter anderem durch dynamische Körperposen angezeigt. Durch eigene Bewegungserfahrungen werde damit ein Bewegungsablauf rekonstruiert.  Eisner (1995, S.41) beschreibt Panels daher als einzelne, eingefrorene Szenen, die durch Rahmen begrenzt sind. Bewegungszeichen zeigen zusätzlich die Teilhabe an einer Handlung mit einem Ursprung und einer spezifischen Richtung. Sie können nach Schüwer (2002, S.189) entweder analytisch oder synthetisch sein. Analytische Bewegungslinien beziehen sich auf die Bewegung einzelner Teile, z.B. einer Faust. Synthetische Bewegungslinien zeigen dagegen die Bewegung ganzer Körper an. In einem Einzelbild können auch eigentlich sukzessive Handlungen gleichzeitig auftreten. Dammann (2002, S.93) beschreibt hierzu einen Panel, in dem die Figur mit einer Hand den Telefonhörer auflegt und sich mit dem Kopf zu einer anderen Figur wendet. Das Beenden eines Telefongesprächs und die Wendung des Kopfes werden als nacheinander ablaufende Tätigkeiten in einer Abbildung synchronisiert. Die Synchronisation von Phasen einer Handlung wird außerdem durch Vervielfältigungen der bewegten Figur, einzelner Körperteile oder mit ihr in Verbindung stehender Objekte angezeigt (Mahne (2007), S.54). Die Schriftsprache ist auch ein Zeitindikator. Das Aussprechen eines Dialogtextes benötigt z.B. eine gewisse Zeit. Die räumliche Position der Sprechblasen zeigen hierbei die zeitliche Positionen in einer Kommunikation an. Blocktexte, die auf bildlich nicht Dargestelltes referieren, werden als hypothetische Panels aufgefasst (Dammann (2002), S.98) und in die Sukzession der abstrakten Zeit eingefügt. Die Bild- und Texteinheiten referieren aber nicht zwangsläufig auf den gleichen Zeitabschnitt (Mahne (2007), S.56). So kann die Bildeinheit Gegenwärtiges, Vergangenes oder Zukünftiges innerhalb der Erzählung darstellen. Die Figurenrede von Figuren, die nicht im Panel zu sehen sind, kann analeptisch, proleptisch oder gleichzeitig sein. Dadurch können verschiedene Zeitebenen wie in der Abbildung 26 in einem Panel vereint werden.
Das Seitenlayout kann über die Panelgröße auf die Rhythmisierung der Zeit Einfluss nehmen. Mehrere Panels ohne Inhalt würden so alleine mit dem Habitus, der Randlinie, erzählende abstrakte Zeit repräsentieren (Dammann (2002), S.95). Ein Projektor, der 90 Minuten lang einen unbelichteten Film zeigt, würde ebenso Vorführzeit verwirklichen. Die relative Größe zeigt dabei das „Zeitgewicht“ (Dammann (2002), S.98) an. Ein größeres Einzelbild repräsentiere eine längere Erzähldauer, als ein kleineres. Der Erzählrhythmus beschleunigt sich z.B. in den unteren drei Panels der Abbildung 26.

Abbildung 26 (Koike/ Kamimura (2006), S.202)
In Bezug auf die Sequenz kann dies zu Differenzen führen. Die dynamische und schnelle Erzählmethode mit dem Übergang ‚von Gegenstand zu Gegenstand’ kann z.B. durch die Form der Panels gedehnt werden. Kleinere Panels können dagegen den zeitdehnenden Übergang ‚von Augenblick zu Augenblick’ raffen.














[Fortsetzung folgt]

 

Literaturverzeichnis

Das vollständige Literaturverzeichnis finden Sie unter Teil 1 dieser Arbeit: Link

Der Download des Artikels wird möglich sein, sobald die Arbeit komplett erschienen ist.

Teil I finden Sie hier
Teil III erscheint voraussichtlich am 14.8.2012

Latest Version: 31-07-2012, 23:45

1 Kommentar:

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