von Christoph Scholz
Beim vorliegenden Artikel
handelt es sich um den ersten Teil der Schriftlichen Hausarbeit im Rahmen der
Ersten Staatsprüfung, unter Begutachtung von Frau Prof. Dr. Bredel, vorgelegt
von Christoph Scholz am 17.12.2008 an der Universität Köln.
Im Laufe der nächsten
Wochen wird die Arbeit komplett erscheinen.
5. Deixis im Comic
Nach Bredel (2001, S.18) ist
die Deixis von besonderer Bedeutung bei der Transformation von Comics in andere
Textformen. So beschreibt sie Verbalisierungen von Schülern und Schülerinnen
nach der Aufforderung, Bildergeschichten nachzuerzählen. Hierbei wurde vor
allem auf die demonstratio ad oculos, die Deixis am Nichtzeichenraum,
zurückgegriffen. Der Schüler Dieter verwendete z.B. das sog. Lokalisierungs-da,
um die Gegenstände des sprachlichen Handelns als Wahrnehmungsobjekte zu
verankern (Bredel (2001), S.15). Es kann daher gefolgert werden, dass die
Darstellungsform des Comics die Verwendung der Deixis in sich verankert hat und
sie begünstigt. Die Deixis findet aber auch als Mittel der Erzählung innerhalb
des Comics statt. Sie kann unter anderem dazu verwendet werden, die
Aufmerksamkeit des Rezipienten auf bestimmte Objekte oder Figuren zu lenken. In
Kapitel 3 wurde außerdem die Bedeutung der Deixis für die Kohäsion und die
Kohärenz in Texten beschrieben. Beides beschreibt die Leistung, verschiedene
Textteile miteinander zu verbinden. In Bezug auf Comic-Texte werden sie in
unterschiedlicher Art erfüllt.
5.1 Kohäsion im Comic durch Deixis
Die kohäsive Leistungen der
Deixis wurden bereits auf die Textdeixis und die Textphorik begrenzt. Durch sie
kann man auf bestimmte Textstellen zeigen oder Koreferenzen angeben. Es ist
jedoch fraglich, ob der Verweis auf die Besitzurkunde in der Abbildung 27 der
Textdeixis entspricht.
Abbildung 27 (Guerrini (2003), S.91) |
Mit dem Wort ‚dies’ zeige man
zwar auf die spezifische Stelle im Comic-Text, die die Urkunde repräsentiert,
jedoch wird durch die Sprechblase einen Dialogtext vermittelt. Der Figur
Dagobert Duck wird so eine Origo in der Erzählung zugewiesen, von der sie auf
andere Personen, Orte oder Zeiten zeigen kann. Dagobert weise dann nicht auf
eine Textstelle, sondern auf ein Wahrnehmungsobjekt von ihm. Der Erzählertext
in der Abbildung 28 kann ebenso interpretiert werden. Das Wort ‚diese’ zeigt
dann direkt auf die Uferbrücke oder die Abbildung.
Abbildung 28 (Morvan/ Munuera (2007), S.23) |
Das Einzelbild kann jedoch
auch zu einem Teil der Äußerung gezählt werden. In dem Kapitel 4.5 wurde schon
geäußert, dass z.B. die Auswahl des Bildausschnitts durch einen fiktiven
Erzähler S2 getätigt werde. Es ist also das Antezedens. Demnach zeige der
Erzähler in diesem Beispiel deiktisch auf eine Stelle in seiner Äußerung. Dies wäre
dem kataphorisch gebrauchten ‚so’ ähnlich, das z.B. auf eine Handgeste weist
(Fricke (2007), S.77). Die Voraussetzung ist aber, dass dieser Erzähler mit dem
Erzähler in dem Erzählertext identisch ist. Ansonsten müsste ein Bild- und ein
Text-Erzähler angenommen werden. Da hier nur eine Beziehung zwischen dem
Einzelbild und dem Erzählertext hergestellt wird, soll dies vernachlässigt
werden. Die Kohäsion soll jedoch als Beziehung zwischen Einzelbildern
aufgefasst werden, weil der Comic durch eine Sequenz gekennzeichnet wird. Die
Textdeixis und Textphorik können so Sätze und Satzteile innerhalb von Dialog-
und Erzählertexten verbinden, die über mehrere Panels verteilt sind. Dies
verbindet vor allem ein Panel, das ein paralleles Verhältnis von Schrift und
Bild aufweist, mit einem anderen. Die Einzelbilder werden dadurch wesentlich
enger miteinander verbunden als durch
die Rekurrenz, also die Wiederaufnahme von bildlichen Einheiten. So wird die
die Abbildung 8 oder die Reihung von Bildern Marilyn Monroes durch Andy Warhol
nur bedingt als Comic erfahren.
Die Abbildung 29 zeigt eine
Besonderheit der kohäsiven Verwendung der Deixis im Comic. Hier ist es möglich,
Deiktika in ambivalenter Weise zu verwenden. Lady Snowblood hat dem Anführer
Matsuemon eine Liste mit drei Personen gegeben, die sie finden möchte. Daher
will er wissen, welche Bedeutung diese Personen für sie habe. Der Panel stellt
den Moment der Antwort auf die Frage dar. Das Wort ‚jene’ zeigt daher im Rahmen
der Textdeixis auf eine vorherige Textstelle. Das Deiktikon kann jedoch auch
auf die drei Köpfe im Hintergrund zeigen.
Abbildung 29 (Koike/ Kamimura (2006), S.303) |
Auch die Textphorik kann in
einem Comic nicht eindeutig sein. Das Wort ‚ihm’ referiert z.B. in der
Abbildung 30 sowohl auf die Figur Hollis, die vorher genannt wurde, als auch
auf Dr. Manhattan in dem zweiten Panel. Durch die Fortführung des Dialogtextes
und die thematische Ähnlichkeit von Bild und Text stehen die beiden Panels in
einem engen Zusammenhang.
Abbildung 30 (Moore/ Gibbons
(2008), S.83)
|
5.2 Kohärenz im Comic durch Deixis
In dem Kapitel 3.2 wurde die
Bedeutung der Deixis für die Kohärenz in Texten beschrieben. Hierbei nimmt die
Origo als koordinierende Instanz, wie sie in der Abbildung 5 beschrieben wird,
eine Möglichkeit der Verbindung von Textteilen dar. Von ihr aus wird eine
gemeinsame Situation rekonstruierbar, in der Objekten und Personen verschiedene
Funktionen und Rollen entsprechend der koordinierende Perspektive zugeschrieben
werden. Im Comic kann sie unter anderem von den sprechenden Figuren übernommen
werden. So wird, wie bereits beschrieben, den Figuren durch die Sprechblase
eine Origo zugewiesen. Dementsprechend kann in der Abbildung 27 davon
ausgegangen werden, dass Dagobert Duck innerhalb eines Zeichenraums auf ein
anderes Objekt deutet. Der Zeichenraum umfasst dabei die dargestellten Figuren
und Örtlichkeiten. Die Deiktika im Dialogtext zeigen hier also auf Personen,
Räume oder Zeiten, die in einem Verhältnis zu dem Ursprung der Sprechblase
stehen. Dadurch entspricht der Comic dem szenischen Darstellen. Es ist jedoch
nicht immer möglich, diesen Ursprung in einem Panel eindeutig zu
identifizieren. Der Sprechort muss z.B., wie in Abbildung 31, nicht in jedem
Panel durch eine Spitze angegeben werden. Die Konstanz der Person als Produkt
der Abduktion und die Verbindungen der
Sprechblasen über mehrere Panels hinweg weisen jedoch in ausreichender Weise
auf den Sprecher in dem zweiten Panel.
Abbildung 31 (Bendis/ Andreyko (2003), S.13) |
In vielen Fällen ist der
Sprecher oder das Deixisobjekt nicht zusammen in einem Einzelbild zu sehen. Das
Personaldeiktikon ‚Sie’ im zweiten Panel der Abbildung 32 muss der Leser deshalb
selbstständig mit der Kommunikationspartnerin im dritten Panel in Verbindung
setzen, um eine sinnvolle Sequenz zu ermöglichen. Dies gelingt jedoch nur, wenn
die Figuren der Sequenz einem gemeinsamen Zeitpunkt und Ort zugeordnet werden.
Die origoexklusiven Deiktika öffnen die Panels und weisen in solchen
Situationen darauf hin, dass es einen Übergang von ‚Gegenstand zu Gegenstand’
innerhalb einer Szene gibt. Dies lässt sich auch in der Abbildung 12 erkennen.
Abbildung 32 (Adams (2005),
S.144)
|
Der Kommunikationspartner in
der Abbildung 33 bleibt dagegen unsichtbar im off stage, von dem er auf den
Schauplatz wirkt (Pfister (2001), S.341). Somit wird der Übergang ‚von Handlung
zu Handlung’ ermöglicht, wodurch die Aufmerksamkeit auf der Figur von Calvin
bleibt. Die Grenzen des Mediums, des Habitus und des Hiatus werden also durch
die Deixis aufgebrochen. Der Leser wird als Beobachter in einer Szene gesteuert
und befindet sich so in einem vorgestellten Raum.
Abbildung 33 (Watterson (1991), S.125) |
Daher liegt eine Versetzung
mit einer verschobenen Origo entsprechend der Abbildung 2 vor. Unter Umständen
wird der Leser aber direkt in das Geschehen involviert. In der Abbildung 19
wird der Raum durch implizite Deixis auf die Realität ausgeweitet, indem
McCloud als Comicfigur zu den Lesern spricht. Hier wird nach dem ersten Fall
der Deixis am Phantasma (Bühler (1999), S.134) die situationsbedingte Übereinstimmung
der Perspektive von Leser und Autor gewährleistet. Außerdem können die Figuren
selber eine Erzählung in den Comic-Text einbetten. Hierbei verwenden sie wie
reale Personen das Präteritum als Mittel der Origo-Versetzung in einen
vorgestellten Raum. Dies kann zusätzlich auf der bildlichen Ebene ausgedrückt
werden.
Abbildung 34 (Guerrini (2003), S.94) |
In der Abbildung 34 wird die
Erzählung von Dagobert Duck durch die Form der Randlinie von den anderen Panels
getrennt. Dadurch werden Teile des Comics miteinander verbunden, ohne dass
direkt auf sie gezeigt werden muss. Die Koreferenz von ‚die Bergruine’ im
ersten und ‚sie’ im zweiten Panel verstärkt den Zusammenhang.
6. Fazit
Comics als eine spezifische
Textform werden durch die Einzelbilder und die Sequenz der Einzelbilder beschrieben.
Die Sequenz ist hierbei durch bestimmte Beziehungen der Panels gekennzeichnet
und obwohl die Schriftsprache nur eine sekundäre Bedeutung hätte, kann auch sie
diese Beziehungen erzeugen. In diesem Rahmen hat die Deixis eine wichtige Rolle.
So können Textdeixis und Textphorik in spezifischen Situationen einzelne Panels
durch Dialog- und Erzählertexte miteinander verbinden. Der Ort der Schrift bestimmt
die sinnvolle Reihung von sehr unterschiedlichen Einheiten. Dadurch ermöglicht man
den leichteren Rückschluss auf den Typ des Überganges. Kohärenz kann durch die
Öffnung des Rahmens konstruiert werden. Das Einzelbild stellt hierbei nur einen
Teil der Bühne des Geschehens dar, die durch einen Prozess der Schlussfolgerung
aus mehreren Panels konstruiert wird. Origoexklusive Deiktika deuten die
Öffnung an und erleichtern so die Synthese in der Sequenz. Dies ähnelt der
Konstruktion von Orten in ausschließlich mündlichen und schriftlichen Texten,
in denen Einzelinformationen auch durch einen Vorstellungsraum zusammengefasst
werden können. Im Comic können origoexklusive Deiktika so als Indiz für den
Übergang ‚von Gegenstand zu Gegenstand’ dienen. Es kann auch in den physischen
Raum gedeutet werden. Hierbei liegt jedoch keine Versetzung der Origo vor.
Die Abbildungen 29 und 30 zeigen
außerdem, dass die Deixis im Comic durch die Ebene der Bilder und die Ebene der
Schrift zu unterschiedlichen Effekten führen kann. Deiktika können so auf
unterschiedliche Objekte zeigen. Diese Besonderheiten verknüpfen das Comic mit
dem Fernsehen, in dem ähnliche Verschiebungen der Ebenen vorkommen können. Es
lässt sich so nicht unvoreingenommen mit anderen schriftlichen Texten der
Kinder- und Jugendliteratur in Beziehung setzen. Daher kann es bedeutsam sein,
Comics in der Schule stärker zu berücksichtigen, um die Textkompetenz zu
fördern.
Im weiteren Verlauf der
sprachwissenschaftlichen und pädagogischen Betrachtung von Comics könnte die
Rolle der Erzähler genauer beschrieben werden. So wurde im Kapitel 5.1 die
Schwierigkeiten der Erzählerposition angedeutet. Außerdem sollten die
verschiedenen Übergänge mit ihren bildlichen und sprachlichen Hinweisen genauer
betrachten werden. Schwierigkeiten der Kohärenz und Kohäsion würden so für
Schüler mit unterschiedlichen Kompetenzniveaus leichter zu erarbeiten sein.
Dies kann Aufgaben mit Bilderreihen stärker an die Fähigkeiten von Kindern und
Jugendlichen anpassen.
Literaturverzeichnis
Das vollständige Literaturverzeichnis finden Sie unter Teil 1 dieser Arbeit: Link
Latest Version: 14-08-2012, 14:15
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